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Politik (Archiv 2011)
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2011030101
Bundestag, 24. Februar 2011: Forderungen des Goldstone-Berichts nach
unabhängigen Untersuchungen des Gaza-Kriegs unterstützen [01.03.2011]
Beratung des Antrags der Abgeordneten Annette Groth, Jan van Aken, Christine Buchholz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Redner: Annette Groth (DIE LINKE), Günter Gloser (SPD), Roderich Kiesewetter (CDU/CSU), Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Thomas Silberhorn (CDU/CSU), Dr. Rainer Stinner (FDP).
Annette Groth (DIE LINKE):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Freunde auf der Tribüne! Letzte Nacht haben israelische
Kampfjets und Hubschrauber die schwersten
Angriffe auf den Gazastreifen seit dem Krieg 2008/2009
durchgeführt. In den letzten Wochen und Monaten
wurde Gaza immer wieder bombardiert.
Die meisten
dieser Angriffe fanden in der von Israel festgelegten Pufferzone
statt, die 17 Prozent der Fläche von Gaza einnimmt.
Die meisten Opfer sind Bauern und Kinder.
13 Schulen gibt es in der Pufferzone. Weil es zu gefährlich
ist, dürfen Rettungswagen und Mitarbeiter internationaler
Organisationen nicht in diese Zone. Aber Schulkinder
müssen jeden Tag dahin. Sie leben in ständiger
Angst. Viele leiden an Depressionen, Bettnässen und anderen
psychischen Krankheiten.
In einem Brief vom 4. Februar 2011 fragten 13 israelische und palästinensische Menschenrechtsorganisationen die Hochkommissarin für Menschenrechte der UNO: Ist der Goldstone-Bericht tot? Zwei Jahre sind seit der israelischen Offensive „Gegossenes Blei“ auf dem Gazastreifen vergangen und Gerechtigkeit für die Opfer steht immer noch aus. Politische Interessen wiegen offenkundig stärker. Gibt es einen Weg aus der vorherrschenden Kultur der Straflosigkeit?
Die Goldstone-Kommission hat Kriegsverbrechen auf israelischer und palästinensischer Seite dokumentiert. Die Zusammenarbeit mit der Goldstone-Kommission wie auch Untersuchungen dieser Verbrechen durch unabhängige Kommissionen lehnt die israelische Regierung bis heute ab. Nach zweimaliger Fristverlängerung für nationale Untersuchungen muss jetzt die internationale Strafgerichtsbarkeit eingeschaltet werden.
Bei dem israelischen Überfall auf Gaza wurden 850 palästinensische Zivilistinnen und Zivilisten getötet, darunter 350 Kinder und 200 Frauen. Über 5 000 Menschen wurden verletzt. Für Hina Jilani, Mitverfasserin des Goldstone-Berichts, waren die Zeugnisse über das bewusste Zielen auf Kinder das Schlimmste, was sie jemals gehört hat. Frau Jilani war UN-Sonderberichterstatterin in Darfur. Die Kommission untersuchte Vorfälle, bei denen Familien mit weißer Flagge ein Haus verließen und die trotzdem gezielt beschossen wurden. Das ist ein gravierender Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und gehört bestraft.
(Beifall bei der LINKEN)
Yehuda Shaul, Direktor der israelischen Menschenrechtsorganisation „Das Schweigen brechen“ befürchtet, dass zukünftige Kriege wieder mit den gleichen Mitteln oder sogar noch schlimmer geführt werden, wenn die Armee sich keinen unabhängigen Untersuchungen stellen muss und Schuldige nicht bestraft werden.
Im 9. Menschenrechtsbericht der Bundesrepublik heißt es:
Die Verhinderung der Straflosigkeit für schwere Völkerrechtsverbrechen bleibt ein wichtiges Anliegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Der jüdische Widerstandskämpfer Stéphane Hessel schreibt in seinem Bestseller-Büchlein „Empört Euch“: Der Gaza-Bericht von Richard Goldstone vom September 2009 sollte Pflichtlektüre sein.
Was den Gaza-Streifen betrifft, so ist er für anderthalb Millionen Palästinenser ein Gefängnis unter freiem Himmel. Dass Juden Kriegsverbrechen begehen können, ist unerträglich.
Seit den Diskussionen um den Goldstone-Bericht stehen Menschenrechtsverteidiger in Israel unter großem Druck. Undemokratische Gesetzesinitiativen boomen. Damit sollen Aussagen vor internationalen Untersuchungskommissionen verboten werden, wenn sie zu einem Strafverfahren gegen israelische Staatsbürger wegen Kriegsverbrechen führen könnten.
Die israelische Friedensbewegung „Gush Shalom“ veröffentlichte in der Tageszeitung Haaretz am 18. Februar 2011 folgendes Inserat: Das ägyptische Volk kämpft tapfer für die Menschenrechte. Die israelische Knesset kämpft tapfer darum, die Menschenrechte abzuschaffen.
(Zuruf von der FDP: Mein Gott! Das kann ja wohl nicht wahr sein! Das ist doch nicht zu fassen!)
Wenn gravierende Verstöße gegen das Völkerrecht nicht angeklagt werden, führt dies zu einer Legitimierung von Kriegsverbrechen und einem allgemeinen Klima der Straflosigkeit. Die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und internationaler Menschenrechtsnormen ist eine wesentliche Voraussetzung für Frieden in der Region.
(Beifall bei der LINKEN)
Als Mitglied im Weltsicherheitsrat kann die deutsche Regierung den Goldstone-Bericht auf die Tagesordnung setzen. Im Namen vieler Menschenrechtsaktivisten fordere ich Sie auf, dies zu tun und dafür zu sorgen, dass Schuldige bestraft werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Günter Gloser (SPD) (zu Protokoll gegeben):
Den Antrag der Linken zum Goldstone-Bericht, den wir hier heute beraten, lehnt die SPD-Bundestagsfraktion ab, weil er in unzulässiger Weise Teilaspekte eines komplexen Vorganges herausgreift. Er ist einseitig darauf ausgerichtet, Israel an den Pranger zu stellen, und trägt daher nicht dazu bei, die Vorgänge objektiv aufzuarbeiten. Damit wird auch die zum Teil sehr wohl gerechtfertigte Kritik am israelischen Vorgehen entwertet und angreifbar gemacht. Leider folgt dieser Antrag damit einem bei den Linken bekannten Muster: Die Linke setzt sich auf ein hohes Ross der moralischen Überlegenheit, urteilt aus dieser Perspektive gern allzu eindeutig über Dinge, die besser differenziert zu betrachten wären, und sie bedient sich dabei konsequent der Argumente jeweils nur einer Konfliktpartei. Diese halbseitig erblindete Perspektive haben wir gerade auch wieder im Fall der Westsahara so erlebt. So macht man keine Außenpolitik; das ist eher ein selbstgerechtes Polittheater, das der Bedeutung solcher Themen und auch dem Leid der betroffenen Menschen auf allen Seiten nicht gerecht wird.
Lassen Sie uns deshalb an dieser Stelle das Wichtigste über den Konflikt und über den Goldstone-Bericht noch einmal sagen, denn im Antrag fehlt, wie gesagt, mancher Hinweis, der zum Verständnis absolut nötig ist.
Zunächst ist es richtig, dass der Goldstone-Bericht im Deutschen Bundestag diskutiert wird. Insofern hat der Antrag der Linken doch sein Gutes. Denn es handelt sich beim Gaza-Krieg von der Jahreswende 2008/2009 um einen sehr schwerwiegenden Vorgang, und der Goldstone-Bericht des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen ist, bei aller Kritik daran, der bislang umfassendste Versuch der Aufarbeitung dieses Konfliktes. Die offizielle israelische Position dazu, die immer wieder versucht hat, das Dokument als reines Machwerk der Feinde Israels hinzustellen, trifft hier also auch nicht zu.
Worum geht es? Der Gazastreifen ist ein Gebiet von der Größe des Landes Bremen. Die Bevölkerungsdichte ist allerdings viermal so hoch wie in Bremen. In dieses dicht bevölkerte Gebiet stieß das israelische Militär am 27. Dezember 2008 mit massiven militärischen Mitteln vor. Gaza war während der israelischen Militäroperation „Gegossenes Blei“ um die Jahreswende 2008/2009 völlig abgeriegelt, eine freie Medienberichterstattung fand nicht statt, unabhängige Beobachter waren nicht vor Ort.
Diese Rahmenbedingungen erschweren es bis heute, ein transparentes Bild der damaligen Geschehnisse zu bekommen. Alle Aufklärungsversuche über die Vorkommnisse während der Militäroperation führten bisher in eine Grauzone der Intransparenz. So konnte Objektivität bislang nicht gewährleistet werden.
Fest steht, dass 1 400 Palästinenser und 13 israelische Soldatinnen und Soldaten ums Leben kamen. Es wurden von der israelischen Armee auch nichtmilitärische Ziele unter Feuer genommen beziehungsweise von der das Gebiet kontrollierenden radikalislamischen Hamas menschliche Schutzschilde missbraucht. Meines Erachtens ist es aber nicht statthaft, über die Militäroperation „Gegossenes Blei“ zu reden und gleichzeitig über ihre Vorgeschichte zu schweigen, so wie dies der Antrag der Linkspartei tut:
Allein im Jahr 2008 haben 1 730 Angriffe mit Qassam- und Katjuscha-Raketen auf das israelische Staatsgebiet mit teilweise tödlichem Ausgang stattgefunden. Diese von der Hamas geförderte Eskalation von Angriffen auf das israelische Staatsgebiet hätte kein Staat auf der Welt ohne Gegenreaktion hingenommen, ja hinnehmen können. Mehr noch: Die Provokation einer israelischen Reaktion ist geradezu Teil der perfiden Strategie der Hamas. Deren Ziel ist es, durch den Druck von außen das eigene Selbstbild als Widerstandsbewegung zu befestigen und auch von der Unterdrückung der eigenen Bevölkerung abzulenken. Dass die israelische Regierung mit ihrer Entscheidung für den Gaza-Krieg und für die dabei eingesetzten Mittel und Vorgehensweisen der Hamas in die Hände spielte, ist Teil der Tragik dieses Konflikts.
Das Mandat der Goldstone-Kommission bezog sich eigentlich nur auf die Untersuchung des israelischen Vorgehens in diesem Konflikt. Der Vorsitzende selbst hat den Auftrag weiter gefasst und auch die Rolle der palästinensischen Seite mit beleuchtet, allerdings in viel geringerem Umfang. Neben der umfangreichen Analyse und vielen Bewertungen sind die Empfehlungen des Berichts an die Generalversammlung, den Generalsekretär und den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen der wichtigste Teil des Berichts. Auf diese Forderungen bezieht sich ja auch der vorliegende Antrag, den die Linke im Juli 2010 eingebracht hat.
Dem Goldstone-Bericht folgte inzwischen der sogenannte Tomuschat-Untersuchungsbericht, der im September 2010 vorgelegt wurde. Eine unabhängige Expertenkommission hat darin untersucht, inwieweit die palästinensische und die israelische Seite den Konflikt juristisch aufgearbeitet haben. Das Ergebnis war: Keine der Seiten hat ausreichend mit den Vereinten Nationen kooperiert. Das muss sich ändern, und darin unterstütze ich die Forderung des Goldstone-Berichts: Sowohl in Israel als auch in den von der palästinensischen Autonomiebehörde regierten Gebieten und im von der Hamas kontrollierten Gazastreifen selbst muss es eine umfassende und transparente Aufarbeitung der Vorgänge rund um den Gaza-Krieg geben. Von der Expertenkommission der Vereinten Nationen wird aber in ihrer Bewertung eine wichtige Unterscheidung gemacht: In Israel bestehen nämlich wenigstens grundsätzlich alle gesetzlichen Grundlagen und Strukturen, die notwendig sind, um mögliche Kriegsverbrechen von israelischer Seite aufzuklären. Aufseiten der Hamas kann aber von einem Rechtsstaat gar keine Rede sein. Jeder Rechtsbruch wird mit dem Kampf gegen Israel gerechtfertigt. Die Behauptung der Hamas, die Angriffe mit Qassam- und Katjuscha- Raketen auf israelisches Gebiet sollten militärische Ziele treffen, ist dabei eine der dreistesten Verdrehungen offensichtlicher Tatsachen. Die Hamas und andere von ihr geduldete Gruppen in Gaza betreiben Terror gegen die israelische Zivilbevölkerung. Das ist kein Freiheitskampf, das ist Terror, und dieser ist durch nichts zu rechtfertigen!
Ich will noch ein weiteres klares Wort sagen: Dieser Terror, so sehr er auch verständlicherweise die Öffentlichkeit in Israel traumatisiert, kann umgekehrt auch nicht das Vorgehen der israelischen Armee im Gaza- Krieg rechtfertigen. Der Kernvorwurf des Goldstone- Berichts lautet: Das militärische Vorgehen Israels im Gazastreifen richtete sich nicht allein gegen die Hamas, sondern auch gegen die wirtschaftlichen Grundlagen und gegen die zivile Infrastruktur, die den Menschen dort ihr Leben ermöglichen. Offenbar war es das Ziel, den Palästinensern diese Grundlagen und diese Infrastruktur dauerhaft zu entziehen und sie damit kollektiv für die Unterstützung der Hamas zu bestrafen. Dazu diente und dient bis heute auch die fast völlige Blockade des Gazastreifens. Die kollektive Bestrafung der gesamten Bevölkerung eines Gebietes für die Verbrechen ihrer politischen Führung ist inakzeptabel und entspricht in keiner Weise dem Völkerrecht. Sie muss auch von israelischen Gerichten entsprechend bewertet und unterbunden werden. Denn diese Bestrafung hält bis heute an.
Diese Forderung erheben wir nicht nur im Zusammenhang mit dem Ziel der Wahrung der Menschenrechte und einer Verrechtlichung der internationalen Beziehungen. Es ist auch ein Gebot der politischen Vernunft. Denn die Blockade des Gazastreifens quält die ohnehin armen Menschen in diesem Gebiet Tag für Tag und treibt sie damit weiter in die Arme der Hamas.
In vielen arabischen Ländern erleben wir in diesen Tagen Volksaufstände, die niemand in dieser Form und in diesem Umfang erwartet hätte. Auch im Gazastreifen brodelt es. Die Hamas muss ebenso wie alle anderen Despoten in der Region mit Gewalt gegen die eigenen Leute vorgehen, um Proteste zu unterdrücken. Israel hat es in der Hand, seine Politik gegenüber den Menschen in Gaza zu ändern, die Blockade aufzuheben und damit vielleicht auch einen politischen Wechsel in Gaza zu unterstützen. Solange aber der ungeheure Leidensdruck anhält, wird es anstelle der Hamas höchstens eine für Israel noch gefährlichere Führung im Gazastreifen geben. Dazu gehört auch eine umfassende juristische Aufarbeitung des Gaza-Krieges und die aktive Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen dabei.
Leider gibt es für eine solche Umkehr der israelischen Politik keine Anzeichen. Exakt das Gleiche gilt für die Frage des Siedlungsbaus, die auf den Gazastreifen nicht zutrifft, dafür aber umso mehr den Zorn der Menschen im von Israel besetzten Westjordanland anstachelt. Auch ich konnte in dem Rahmen, der mir hier zur Verfügung steht, nicht den Nahostkonflikt oder auch nur den Gaza-Krieg erklären. Wir müssen uns aber hüten, den bequemen Weg des Rechthabens zu wählen, einfach Israel Kriegsverbrechen vorzuwerfen und alle Rahmenbedingungen außer Acht zu lassen. Genau das aber tut die Linke mit ihrem vorliegenden Antrag. Deshalb lehnen wir ihn ab.
Roderich Kiesewetter (CDU/CSU) (zu Protokoll gegeben):
Die Welt befindet sich im Umbruch. In der Nachbarschaft von Israel vollzieht sich ein Wandel unberechenbaren Ausmaßes. Wir haben eine sehr schwierige Lage in Libyen, Tunesien, Ägypten und selbst auf der arabischen Halbinsel. Diese Entwicklung ist mit einer großen Unbestimmtheit verbunden, mit der Frage: Wie friedlich ist dieser Prozess?
Wenn wir uns heute mit dem Goldstone-Bericht und in diesem Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg beschäftigen, dann tun wir dies am heutigen Tage mit einem wichtigen historischen Bezug: Der Palästina-Krieg von 1947 bis 1949 endete am 24. Februar 1949 mit einem ersten Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und dem damaligen Kriegsgegner Königreich Ägypten. Damals wie heute ist die Sicherheitslage Israels nicht klar, auch der Gaza-Krieg war eine Frage von Bedrohung und Unsicherheit. Der jahrelange Raketenterror aus dem Gazastreifen gegen die Bevölkerung in Südisrael hatte schwerwiegende Folgen insbesondere für die Zivilisten. Der Gaza-Krieg wurde schließlich mit dem Ziel geführt, mutmaßliche Hamas-Hochburgen auszuschalten und diese Organisation zu schwächen.
Unabhängig von diesem historischen Kontext ist aber auch klar: Deutschland ist der Sicherheit Israels verpflichtet. Dafür tun wir politisch, was wir tun können. In der Situation des Umbruchs ist ein klares Signal der Solidarität an Israel notwendig, aber auch an die arabische und palästinensische Seite, endlich das Existenzrecht Israels anzuerkennen.
In der aktuellen Entwicklung steckt eine Chance: Der gegenwärtige Umbruch kann auch den Friedensprozess befördern. Dessen Ziele stehen fest: Die Zwei-Staaten- Lösung mit Israel als einem jüdischen, demokratischen Staat und einem lebensfähigen palästinensischen Staat. Dies ist nur möglich durch schmerzhafte Kompromisse; aber die dann greifbaren Ziele sind sichere Grenzen und eine in Sicherheit lebende Bevölkerung auf beiden Seiten.
Hinsichtlich des Antrags sind wir der Meinung, dass die Zuständigkeiten für den Goldstone-Bericht und die Behandlung der Schlussfolgerungen feststehen: Der Menschenrechtsrat ist verantwortlich. Bei dessen nächster Sitzung im März 2011 wird unser heutiges Thema auch auf der Tagesordnung stehen, weshalb diese Sitzung maßgeblich für die weitere Beurteilung des Prozesses sein wird. Hier gilt es abzuwarten und den Ergebnissen und Schlussfolgerungen insbesondere der Hochkommissarin für Menschenrechte Pillay nicht vorzugreifen. In jedem Fall halten wir aufgrund der bestehenden Zuständigkeiten die Überweisung des Sachverhalts an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für nicht notwendig.
Aus diesen Gründen sind die Forderungen Ihres Antrags für uns nicht konsensfähig bzw. bereits überholt. Gleichzeitig stimmen wir grundsätzlich darin überein, dass Verletzungen des Völkerrechts sorgfältig untersucht und aufgearbeitet werden, und wir stellen die Notwendigkeit ernsthafter eigener Untersuchungen und strafrechtlicher Aufarbeitung als besonders bedeutend heraus – ein Signal an beide Parteien und damit auch an die gesamte Region.
In Ihrem Antrag wird die Bundesregierung aufgefordert, die israelische und die palästinensische Seite zu eigenen Untersuchungen aufzufordern. Aber eigene Untersuchungen sind erfolgt, wie der Bericht der Tomuschat- Kommission belegt. Insoweit ist der Antrag überholt.
Im Antrag wird gefordert, dass die Bundesregierung beide Seiten zur Zusammenarbeit mit dem Expertenkomitee der VN-Hochkommissarin für Menschenrechte bewegen soll. Aber der Bericht des Expertengremiums liegt vor; die Schlussfolgerungen sind gemacht, die Aufarbeitung wird weiter betrieben, und eine verbesserte Zusammenarbeit wird angemahnt.
Um es mit anderen Worten zu sagen: Der vorliegende Antrag liegt letztlich voll auf der Linie derjenigen, die das VN-Verfahren gegen Israel politisieren wollen, was wir nicht unterstützen werden.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Kritik am israelischen Militäreinsatz und an mangelnder Kooperation seitens Israels bei der Untersuchung teilweise berechtigt sein mag. Allerdings: Das israelische Rechtssystem verfügt über die notwendigen Mechanismen zur Aufarbeitung der Vorwürfe. Dagegen ist nicht erkenntlich, dass die palästinensische Seite aufgrund der eigenen Untersuchungen auch die notwendigen Ermittlungen einleitet. Die Hamas in Gaza hat noch nicht einmal glaubhafte und ehrliche Untersuchungen eingeleitet.
Betrachten wir die aktuellen Entwicklungen, dann müssen wir akzeptieren, dass diese sehr viel mit nationaler Sicherheit zu tun haben. Unterschiedliche Bedrohungen für Israel sind sichtbar. Deshalb ist die enge Partnerschaft zwischen Deutschland und Israel von allergrößter Bedeutung. Meine Damen und Herren, was kann Europa tun? An der Seite Israels stehen, aber gleichzeitig dazu auffordern, die Chancen des Umbruchs zu nutzen.
Tom Koenigs (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (zu Protokoll gegeben):
Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden hängen zusammen, auch im Nahen Osten. Wahrheit ist der erste Schritt zur Versöhnung, und das ist die Voraussetzung für Frieden, weil sie die Opfer würdigt und ihre verletzten Menschenrechte benennt. Dabei ist die Anerkennung der Verbrechen durch die Täter dann auf beiden Seiten entscheidend. Der Goldstone-Bericht hat genau diesen ersten Schritt in Richtung Wahrheitsfindung unternommen, und zwar für beide Seiten. Seine Perspektive ist die der Opfer – auf beiden Seiten.
Er stellt fest, neben vielem anderen, dass palästinensische bewaffnete Gruppen seit April 2001 mehr als 8 000 Raketen in den Süden Israels geschossen haben. Der Raketenbeschuss auf Israel dauert bis heute an. Die wahllosen Angriffe auf die israelische Zivilbevölkerung verletzen das humanitäre Völkerrecht und können sogar als Verbrechen gegen die Menschlichkeit bewertet werden. Das steht im Goldstone-Bericht.
Er stellt einmal mehr fest, dass der israelische Soldat Gilad Schalit vor fünf Jahren von bewaffneten palästinensischen Gruppen gefangen genommen wurde und seitdem festgehalten wird – ohne Kontakt zur eigenen Familie, ohne medizinische Betreuung. Selbst das Internationale Komitee des Roten Kreuzes erhält keinen Zugang. Das ist eine Verletzung des humanitären Völkerrechts.
Israel hat legitime Sicherheitsinteressen in der Region. Sein Existenzrecht wird bis heute von der Mehrheit seiner arabischen Nachbarstaaten nicht anerkannt. Israel hat das Recht, seine Bürger zu schützen und notfalls zu verteidigen. Deutschland ist durch seine besondere historische Verantwortung der Sicherheit Israels verpflichtet. Der Goldstone-Bericht hat den Opfern beider Seiten Gehör verschafft und ausgewogen über die Ereignisse berichtet. Leider haben es Israel, die Palästinenser, Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft bisher versäumt, dem Bericht die Anerkennung zu verleihen, die er verdient hat.
Dem Bericht ist es gelungen, Menschenrechtsverletzungen auf beiden Seiten in einen Zusammenhang zu bringen. Er hat allen Opfern einen Namen, eine Stimme und ein Gesicht gegeben. Solange Israel seine im Gazastreifen begangenen Menschenrechtsverletzungen, die auch im Goldstone-Bericht stehen, nicht anerkennt, die palästinensischen Opfer nicht würdigt, die Wahrheitsfindung weiter unterbindet und die Blockade aufrechterhält, so lange werden die Stimmen derjenigen israelischen Opfer verhallen, die seit zehn Jahren unter dem Raketenbeschuss der bewaffneten palästinensischen Gruppen leben müssen. Menschenrechte messen nicht mit zweierlei Maß.
Der Goldstone-Bericht beschreibt auch, wie 1,5 Millionen Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem Gefängnis leben müssen, das sich Gazastreifen nennt. Die UN beschreibt diesen Zustand als eine von Menschen geschaffene Krise der Menschenwürde. Der Frieden bedarf schmerzhafter Zugeständnisse auf beiden Seiten. Die UN und die EU müssen Israel und die Palästinenser dabei unterstützen, sie beide drängen. Das beginnt mit der Anerkennung der aneinander begangenen Menschenrechtsverletzungen. Der Goldstone-Bericht wäre ein guter Ansatz.
Die Sicherheitsinteressen Israels sind untrennbar mit den Menschenrechten der Palästinenser verbunden. Erst wenn beide Seiten das Völkerrecht und die Menschenrechte anerkennen, erst wenn beide Seiten Gerechtigkeit finden, kann es Frieden geben. Der jüdische Gelehrte Simeon ben Gamaliel I. sagte im ersten Jahrhundert nach Christus, dass die Welt auf drei Säulen ruht: Wahrheit, Gerechtigkeit und Frieden. So ist es.
Thomas Silberhorn (CDU/CSU) (zu Protokoll gegeben):
Die israelische Militäroffensive „Gegossenes Blei“ im Gazastreifen, zu deren Untersuchung die Kommission unter Leitung von Richard Goldstone mandatiert war, liegt mittlerweile mehr als zwei Jahre zurück. Alle beteiligten Parteien – Israel, die Palästinensische Autonomiebehörde und die Hamas – haben eigene nationale Untersuchungen der Vorgänge durchgeführt und entsprechende Stellungnahmen an den Generalsekretär der Vereinten Nationen übermittelt.
Von den vier Forderungen des vorliegenden Antrags sind somit jedenfalls zwei – nämlich die nach Einleitung nationaler Untersuchungen sowie nach Vorlage an den Internationalen Strafgerichtshof – überholt. Die beiden verbleibenden Forderungen – die Befassung des VN-Sicherheitsrats mit dem Goldstone-Bericht sowie die Kooperation der Konfliktparteien mit dem vom VN-Menschenrechtsrat mandatierten Expertengremium – teilen wir in der CDU/CSU-Fraktion nicht: Zum einen ist der Menschenrechtsrat, der die Kommission eingesetzt hat, auch der geeignete Ort für die weitere Befassung mit dem Bericht. Zum anderen kann der Auftrag des gegen westliche Stimmen eingesetzten Expertengremiums nicht als neutral angesehen werden. Der vorliegende Antrag ist daher abzulehnen.
Der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern ist ein Thema von hoher Komplexität, aber auch von Dringlichkeit. Unter den Folgen des Konflikts hat vor allem die Zivilbevölkerung auf beiden Seiten zu leiden: Israelis sind Raketenbeschuss und palästinensischen Terrorangriffen ausgesetzt. Palästinenser sind mit Unterversorgung, eingeschränkten Menschen- und Bürgerrechten und israelischen Militäraktionen konfrontiert. Wir halten an den beiden Eckpfeilern der deutschen Nahostpolitik fest: Die Sicherheit und das Existenzrecht Israels sind „Teil der deutschen Staatsräson“. Ebenso klar treten wir dafür ein, dass direkte Friedensgespräche mit dem Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung wieder aufgenommen werden. Der Deutsche Bundestag hat sich immer wieder eingehend mit der Situation in den palästinensischen Gebieten beschäftigt. So haben wir in der Debatte über unseren interfraktionellen Antrag zu den Ereignissen um die Gaza-Flottille am 1. Juli 2010 eine klare Sprache zu den Lebensverhältnissen im Gazastreifen gefunden und die Bundesregierung aufgefordert, sich für die sofortige Aufhebung der Gaza-Blockade einzusetzen. Seitdem hat sich nicht viel getan: Im Gazastreifen wurden zwar die Möglichkeiten der Wareneinfuhr und -ausfuhr gelockert. Dennoch bleiben nach wie vor weitreichende Restriktionen für den Warenverkehr in Kraft. Das muss sich dringend ändern, um der Bevölkerung dort wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen und sie nicht länger von allen Lebenschancen abzuschneiden.
Der Friedensprozess besteht derzeit nur noch auf dem Papier. Es ist in diesem Zusammenhang höchst bedauerlich, dass das begrenzte Siedlungsmoratorium seitens der israelischen Regierung im September 2010 nicht verlängert wurde, sondern die Siedlungsaktivitäten wieder in vollem Umfang aufgenommen wurden. Das verringert nicht nur den Spielraum für eine angemessene und funktionsfähige Zwei-Staaten-Lösung. Der Siedlungsbau ist auch alles andere als dazu angetan, Vertrauen zwischen den Parteien zu schaffen, das für eine dauerhafte, von allen Seiten akzeptierte Verhandlungslösung notwendig ist. Der „Erweiterte Nahe Osten“ erfährt derzeit einen Umbruch von noch nicht absehbarem Ausmaß, der manche vermeintliche Gewissheit in Bezug auf die Region infrage stellt. Heute zeigt sich: Autokratische Regime sind keineswegs in der Lage, dauerhaft für Stabilität zu sorgen. Auch im Nahen Osten kann nicht einfach über die Köpfe der Bürger hinweg regiert werden. Universelle Menschenrechte und rechtsstaatliche Prinzipien dürfen nicht länger missachtet werden.
Die Unruhen in der arabischen Welt müssen nicht zwingend direkte Auswirkungen auf den Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern zeitigen. Unverkennbar ist aber, dass die Politik der arabischen Staaten künftig stärker als bislang den Willen der Bevölkerung widerspiegeln wird. Fortschritte im Friedensprozess werden dadurch jedenfalls nicht einfacher und liegen daher im ureigenen Interesse Israels. Notwendig ist es vor allem, dass die israelische Regierung klar benennt, innerhalb welcher Grenzen sie einen künftigen palästinensischen Staat zu akzeptieren bereit ist. Die palästinensische Seite ist zwar weiter zwischen Autonomiebehörde und Hamas gespalten, was Verhandlungen nicht erleichtert. Doch Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bis September, die Präsident Abbas angekündigt hat, können – trotz der bereits angekündigten Blockade durch die Hamas – neue Legitimität entfalten. Hoffnungsvoll ist zudem der Ansatz von Premier Fajad, welcher nach dem Rücktritt der Regierung mit der Regierungsbildung beauftragt ist, durch den Aufbau staatlicher Institutionen unabhängig vom Fortgang der Verhandlungen die notwendigen Voraussetzungen für eine Staatsgründung zu schaffen. Diese ambitionierte Politik verdient weiterhin unsere volle Unterstützung. Die internationale Gemeinschaft drängt mit Nachdruck auf konkrete Schritte zur friedlichen Beilegung des Konflikts durch Gründung eines lebensfähigen palästinensischen Staates innerhalb akzeptierter Grenzen sowie unter voller Berücksichtigung der israelischen Sicherheitsinteressen. Die Kernelemente für eine Verhandlungslösung liegen seit Jahren auf dem Tisch. Entscheidend ist nun der politische Wille auf beiden Seiten, tatsächlich einen Ausgleich herbeizuführen.
Dr. Rainer Stinner (FDP) (zu Protokoll gegeben):
Letztes Jahr haben wir uns wiederholt mit der Lage der Region im Nahen Osten beschäftigt. Bei der Resolution zur Aufklärung der Ereignisse um die Gaza-Flottille waren wir uns sogar so einig wie selten: Alle Fraktionen haben der Resolution zugestimmt, sogar unsere Kollegen von der Linken haben sich von unseren Argumenten so überzeugt gezeigt, dass sie dem Entwurf zugestimmt haben.
Deutschland zeigt in seiner Haltung gegenüber der Aufklärung der Ereignisse der Gaza-Operation eine klare Linie: Wir haben uns immer für eine umfassende und unparteiische Aufklärung der Vorwürfe durch die beteiligten Parteien eingesetzt. Wir bleiben bei dieser Kontinuität. Wir finden allerdings, dass der Menschenrechtsrat, also gerade die Institution, die die Goldstone- Kommission zur Aufklärung dieser Ereignisse ins Leben gerufen hat, auch der richtige Ort ist, in der der Goldstone-Bericht behandelt werden soll.
Deutschland hat immer an die betreffenden Parteien appelliert, sich mit den Vorwürfen des Goldstone-Berichts sorgfältig auseinanderzusetzen und die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen, die internationalen Standards entsprechen sollen. Der Außenminister Guido Westerwelle tat dies auch bei den Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen Avigdor Lieberman. Die Kollegen von der Linken fordern in ihrem Antrag also etwas, was die Bundesregierung längst tut.
Aber man muss doch sagen, dass der Goldstone-Bericht nicht frei von Fehlern ist. Die Hamas wird wie eine normale Organisation behandelt. Der Goldstone-Bericht geht mit keinem Wort darauf ein, dass es sich hierbei um eine Terrororganisation handelt. Nur kurz wird kritisiert, dass die Hamas und mit ihr verbündete Organisationen der israelischen Bevölkerung mit Raketenbeschuss zusetzen. Die Asymmetrie des Konflikts wird nicht ausreichend thematisiert, ebenso wenig wie das Operieren der Hamas von zivilen Einrichtungen aus. Darüber hinaus gibt es innerhalb der Rechtswissenschaft viel Kritik an der – ich will sie einmal „progressiv“ nennen – Auslegung des humanitären Völkerrechts.
In der von mir eingangs erwähnten Resolution zur Gaza-Flottille wird das legitime Sicherheitsinteresse Israels ausdrücklich erwähnt. Es ist Teil der deutschen Staatsräson. Im Goldstone-Bericht findet man dazu nichts. Wie können wir nun einem Antrag zustimmen, der die Umsetzung eines Berichts fordert, dem dieser wesentliche Teil der Betrachtung des Kontexts fehlt, der sich nicht zumindest mit dem Recht Israels auf Selbstverteidigung auseinandersetzt? Machen wir uns doch nichts vor: Wir können nicht die Lage der Region betrachten, ohne das legitime Sicherheitsinteresse Israels im Auge zu haben.
Doch auch wenn der Goldstone-Bericht und die Tomuschat-Kommission fehlerhaft sind, so zeigen sie durchaus auf, welche Defizite das Verhalten der israelischen Regierung aufweist, und wir scheuen uns nicht – gerade als Freunde Israels –, das anzusprechen. Die humanitären Zustände in Gaza sind würdelos. Deshalb muss Israel den Verkehr für humanitäre Hilfe, kommerzielle Güter und Personen von und aus Gaza unmittelbar, bedingungslos und dauerhaft öffnen. Die fortdauernden Siedlungsaktivitäten sind völkerrechtlich nicht haltbar. Sie widersprechen den Vereinbarungen aus der Roadmap und erschweren die Lösung des Konflikts durch Verhandlungen. Dies ist fortdauernd die Position der Bundesregierung, und wir halten an ihr fest. Außenminister Guido Westerwelle hat sie bei den deutsch-israelischen Regierungskonsultationen und den Treffen mit seinem israelischen Amtskollegen stets angesprochen. Deshalb hat Deutschland als Mitglied des Sicherheitsrates dem Resolutionsentwurf letzte Woche zugestimmt.
Wenn wir uns einmal die Empfehlungen des Goldstone-Berichts ansehen, dann stellen wir fest, dass vieles davon bereits umgesetzt worden ist: Die Generalversammlung hat sich mit dem Thema befasst, ebenso der Menschenrechtsausschuss. Israel hat einige der Empfehlungen bereits teilweise umgesetzt, so sind zum Beispiel die Rules of Engagement geändert worden, die Vermittlung von Kenntnissen des humanitären Völkerrechts bei der Ausbildung der Streitkräfte ist verbessert worden und eine durchgehende juristische Beratung, auch während der Einsätze, eingeführt worden. Dagegen sind keine der Forderungen an die Hamas, einschließlich der Forderung nach der Freilassung von Gilad Schalit, umgesetzt worden.
Festzuhalten bleibt, dass der internationalen Gemeinschaft und Deutschland an einer Aufklärung gelegen ist. Da ist ja auch bereits einiges passiert. Schauen wir uns doch einmal die Berichte der israelischen Streitkräfte – davon gab es ja drei – an: Es gab mehr als 150 Untersuchungen, von denen einige bereits zu strafrechtlichen Verurteilungen und Disziplinarstrafen geführt haben. Im Gegensatz dazu hat es auf der palästinensischen Seite noch keine Verfahren gegeben. Ich plädiere jedoch dafür, die Aufklärung in einem gesamtregionalen Kontext zu sehen. Der Goldstone-Bericht ist ja nur ein Steinchen in einem großen, komplexen, vielschichtigen Mosaik. Viel wichtiger ist es, dass Bedingungen in den betreffenden Ländern geschaffen werden, die eine Aufklärung ermöglichen. Deshalb ermuntern wir die Konfliktparteien fortwährend, die gegen sie erhobenen Vorwürfe selbst aufzuarbeiten. Das liegt auch in ihrem ureigenen Interesse.
Eine Verweisung an den Internationalen Strafgerichtshof, wie ihn ja der Antrag der Linken fordert, wäre hier der falsche Weg. Wie ich eingangs gesagt habe, finden wir, dass der Menschrechtsrat das richtige Gremium ist, um die Vorwürfe des Goldstone-Berichts zu behandeln. Eine Verweisung an den Internationalen Strafgerichtshof lehnen wir deshalb ab. Auch glauben wir daran, dass Israel als einzige Demokratie in der Region – hoffentlich ändert sich das demnächst – die Vorwürfe selber aufarbeiten kann. Und die Ergebnisse, die bisher erreicht worden sind, die Veränderungen, die in den israelischen Streitkräften eingeleitet und die Verfahren, die bereits abgeschlossen worden sind, sprechen dafür.
(ts)
Quellen:
Antrag: Forderungen des Goldstone-Berichts nach unabhängigen Untersuchungen des Gaza-Kriegs unterstützen
Deutscher Bundestag, Stenografischer Bericht, 93. Sitzung