Institut für Palästinakunde
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Israels sozio-ökonomischer Krieg gegen die Palästinenser
Notizen zum Vortrag Dawoud Hamoudehs an der Uni Bonn (26. Jan) [27.01.2011]

Dawoud Hamoudeh (stopthewall) Auf Einladung des KoPI trat Dawoud Hamoudeh von stopthewall am Abend des 26. Januar im Hörsaal III der Uni Bonn auf.

Der Plan zur Zerstörung Palästinas

In dem Vortrag mit dem Untertitel "Zukünftige Planungen Israels und palästinensische Gegenstrategien" gab Hamoudeh einen detaillierten Einblick in die israelische Planung, die man als eine Form sozio-ökonomischer Kriegsführung gegen die Palästinenser bezeichnen muss.

Ein "Krieg" mit dem Ziel, den Lebenstandard der Palästinenser - ganz analog zu Gaza - auf das Subsistenzniveau abzusenken, um die Auswanderung als die einzige Alternative erscheinen zu lassen.

Der Plan zu diesem Krieg - so Hamoudeh - sei in einem iraelischen 'Masterplan 2020' enthalten, der zwar nicht geheim, aber nicht allgemein (insbesondere nicht im Internet) zugänglich sei. Dieser mehrere tausend Seiten umfassende Plan beinhalte ganz konkrete Zahlen, Detailpläne und Konzepte, um die Palästinenser - in der Westbank, Israel und Ostjerusalem - in möglichst abgeschlossenen Gebieten zu konzentrieren, von allen notwendigen Ressourcen abzuschneiden und soweit wie irgendmöglich auszubeuten.

Die territoriale Basis des Planes bestünde in der Zersplitterung Palästinas in 23 abgeschlossene Ghettos (22 Territorien in der Westbank plus dem Gaza-Ghetto) die durch Tunnels miteinander verbunden werden sollen.

Der Plan zur Ruinierung Bethlehems

Zur Illustration führte Hamoudeh im Detail vor, mit welchen Methoden Israel das touristische Zentrum in der Westbank, Bethlehem, einzuschliessen und die dortige Wirtschaft auszutrocknen gedenkt:

Dazu sollen die Hotelkapazitäten in den Bethlehem umgebenden Siedlungen ausgebaut und - nicht nur - für Bethlehem eine neue Visapflicht eingeführt werden. Die Gäste sollen so dazu gezwungen werden in den Siedlungen zu übernachten. Von diesen aus sollen sie dann visafrei mit Bussen direkt zu den heiligen Stätten gebracht und anschliessend wieder zurück in die Siedlungen gebracht werden. Alles mit dem Ziel, dass sie sowenig Geld wie nur irgend möglich in Bethlehem hinterlassen.

Aber auch das wenige Geld, dass die Touristen in Bethlehem lassen, soll dadurch abgesaugt werden, dass die Bewohner Bethlehems dazu gezwungen sein werden Strom, Wasser und alle anderen Dienstleistungen und Güter von israelischen Monopolisten zu kaufen.

Die Rolle des Auslands

Eine wichtige Rolle in der Planung spielen Industriezonen, die nahe der Grünen Linie eingerichtet und von ausländischen Investoren finanziert und betrieben werden sollen. (Eine solche Industriezone mit deutscher Beteiligung wurde bereits nahe Jenin eingerichtet.)

Das aussenpolitische Ziel bestehe offenkundig darin, die sogenannte 'internationale Gemeinschaft' zu Komplizen bei der ökonomischen Repression und Ausbeutung der Palästinenser machen.

Hinsichtlich der Palästinenser bestünde der Zweck der Industriezonen darin, alle Einkommensmöglichkeiten in für sie nicht kontrollierbare Zonen zu verlegen und sie dazu zu zwingen in rechts- und gewerkschaftsfreien Räumen für Hungerlöhne zu arbeiten.

Bereits zum jetzigen Zeitpunkt sind laut Hamoudeh deutsche Entwicklungsorganisationen und Banken - GTZ, DED und KfW - an der Planung und Einrichtung der Industriezonen, aber auch an der Planung der Ghetto-Infrastruktur beteiligt.

Gegenstrategien der Palästinenser

Für stopthewall besteht die einzige Möglichkeit Widerstand zu leisten darin, mit lokaler und internationaler zivilgesellschaftlicher Unterstützung wenigstens Teile der israelischen Planung zu durchkreuzen.

Dies betrifft zum Beispiel die Industriezonen, gegen die stoptehwall in den jeweiligen Herkunftsländern mit Kampagnen und vor Gericht vorgegangen ist.

Die Zivilgesellschaft vor Ort - in Deutschland - forderte Hamoudeh dazu auf, sich der BDS-Kampagne anzuschliessen. (Während der Veranstaltung wurden Unterschriften für einen Brief an den deutschen Bassbariton Thomas Quasthoff gesammelt, in dem dieser dazu aufgefordert wird, auf seinen Auftritt in Israel zu verzichten.)

Hinsichtlich der Aktivitäten von DED, GTZ und KfW in der Westbank, würden entsprechende Aktivitäten in Kooperation mit deutschen Partnern vorbereitet.

Abschluss

Den Abschluss bildete eine Diskussion, bei der unter anderem die Frage nach der Einstaatenlösung gestellt wurde.

Hamoudeh bekannte sich selber zur Einstaatenlösung, jedoch nicht ohne darauf hinzuweisen, dass diese Position in Palästina zur Zeit noch eine Minderheitenposition sei.

 (ts)

Ergänzende Links:
Jerusalem 2020 (stopthewall)

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