Institut für Palästinakunde
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Vertreibung und ethnische Diskriminierung bilden den roten Faden in der Geschichte des 'Jüdischen Nationalfonds' (JNF) [05.08.2012]

Bagger des JNF-KKL bei der Zerstörung Al-Arakibs

"it must be clear that there is no room in the country for both [Arab and Jewish] peoples … If the Arabs leave it, the country will become wide and spacious for us … The only solution [after the end of WW II] is a Land of Israel, at least a western land of Israel [i.e. Palestine], without Arabs. There is no room here for compromises … Not one village must be left, not one [Bedouin] tribe."
Yosef Weitz, „father of forests“ (1890-1972), Tagebucheintrag vom 20. Dezember 1940; Leiter der Wiederaufforstungs-Abteilung des JNF (1932-1972)

Der 'Jüdische Nationalfonds'

Der Jüdische Nationalfonds (JNF) ist, anders als seine Selbstdarstellung zu suggerieren versucht, weder eine philanthropische NGO noch eine Naturschutzorganisation, deren Sorge vor allem der Flora und Fauna Israels gilt. Der JNF ist vielmehr eine sehr mächtige parastaatliche Institution, die 13 Prozent des israelischen Bodens treuhänderisch verwaltet und 10 von 22 Direktoren der israelischen Landadministration (ILA) stellt, die weitere 80 Prozent des israelischen Bodens kontrolliert.

Die Kernaufgabe des JNF besteht seit über einhundert Jahren in der Kolonialisierung Palästinas, mit dem Ziel, dort einen europäisch-jüdischen Staat aufzubauen bzw. zu befestigen: Dazu setzte der JNF - seit der Gründung im Jahre 1901 - alle Mittel ein, um palästinensisches Land in seine Hand zu bekommen, um es ausschließlich Juden für die Besiedlung zur Verfügung zu stellen und dessen palästinensische Bewohner zu vertreiben und von einer Nutzung des Landes auf ewig auszu­schließen. Denn der JNF, so kann man in dessen eigenen Veröffentlichungen nachlesen, ist der 'Treu­händer des unveräußerlichen Landes des jüdischen Volkes'.

Dieser auf Ausgrenzung und Vertreibung von Palästinensern abzielenden Zielsetzung sind alle Aktivi­täten des JNF bis zum heutigen Tag untergeordnet.

Der 'Jüdische Nationalfonds' bis 1948

Bis zum Krieg im Jahre 1948, der in Israel als Unabhängigkeitskrieg bezeichnet wird, musste sich der JNF darauf beschränken, den Palästinensern das Land abzukaufen. Die Verkäufer waren zu drei Vierteln Grossgrundbesitzer, die häufig außerhalb Palästinas lebten. Nicht wenige kamen unter osmanischer Herrschaft mit unlauteren Methoden zu dem Land, das sie mit großem Gewinn an den JNF verkauften, von dem die Palästinenser anschließend mit Gewalt vertrieben wurden. Auf diese Art und Weise gelangten bis 1948 circa 90.000 Hektar (3-4 Prozent des Bodens) Palästinas in die Hände des JNF, auf dem 230 jüdische Siedlungen gegründet wurden.

Den Krieg, der Israel hervorbringen sollte, unterstützte der JNF mit dem ihm eigenen Mitteln: Seine 'village files' (dt. Dorfakten) mit akribischen Angaben zu hunderten palästinensischer Dörfer, die seine Agenten beginnend in den 30er Jahren zusammengestellt hatten, waren für die Planung der Eroberung und der Vertreibung der Palästinenser von großem Nutzen. Der Leiter der Wiederaufforstungs-Abteilung des JNF, Yosef Weitz, der direkten Zugang zum inneren Machtzirkel um den späteren Staatschef Ben Gurion hatte, initiierte die Bildung eines Transfer Komitees ('Transfer' ist der in Israel übliche Euphemismus für Vertreibung) und setzte sich auch persönlich für die Vertreibung der Paläs­tinenser und die Zerstörung ihrer Dörfer ein, um ihr Land unter die Kontrolle des JNF zu bekommen.

Ende 1948 war der jahrelang vorbereitete Krieg gegen die Palästinenser und die arabischen Nachbarstaaten - die den Palästinensern zu spät, widerwillig und völlig unkoordiniert zur Hilfe eilten - vom Erfolg gekrönt: Es gelang circa 500 palästinensische Dörfer komplett zu entvölkern und einen Großteil dem Erdboden gleich zu machen, um die Rückkehr der Palästinenser zu verhindern. Beinahe 90 Prozent der Palästinenser (mehr als 700.000) wurden vertrieben und verloren ihr gesamtes Hab und Gut, weshalb dieser Krieg von ihnen seither als 'nakba' (dt. Katastrophe) bezeichnet wird.

Der 'Jüdische Nationalfonds' nach 1948

Nach dem militärischen Sieg und der erfolgreichen Vertreibung der Palästinenser schien die Not­wendig­keit für das Weiterbestehen des JNF entfallen zu sein. Anstatt den JNF aufzulösen und seinen Besitz zu ver­staat­lichen, geschah jedoch das Gegenteil. Kurz nach Kriegsende begann der israelische Gesetz­geber, eine Reihe von Gesetzen zu erlassen, mit denen er die Enteignung des Bodens der ver­triebenen Palästinenser legalisierte, um ihn anschließend an den JNF weiter zu reichen. Durch diesen staatlich legalisierten Raub – von dem auch noch die 10 Prozent in Israel verbliebenen Palästi­nenser betroffen waren – vergrößerte sich der Landbesitz des JNF von 90.000 auf 250.000 Hektar, was circa 13 Prozent der gesamten Fläche Israels entspricht.

Der Grund für die Übertragung des Bodens an eine nominell unabhängige, nichtstaatliche Organi­sation lag darin, daß Israel so den Palästinensern den Zugang zu Land verwehren konnte, ohne dazu explizit rassistische Gesetze erlassen zu müssen, so wie das in Südafrika der Fall war. Ein Umstand, der es Israel ermöglicht, seinen Apartheidcharakter hinter einer demokratischen Fassade zu verbergen; eine der wichtigsten Voraussetzungen für seine internationale Unterstützung bis zum heutigen Tag.

Wiederaufforstung als Waffe

Folgt man den Webseiten des JNF, so handelt es sich um eine philanthropische Natur- und Umwelt­schutzorganisation, die sich vor allem der Wiederaufforstung Israels widmet. Aber auch bei diesen Projekten verliert der JNF nie sein eigentliches Ziel aus den Augen, die Palästinenser zu ver­drängen, ihre Rückkehr zu verhindern und die Spuren ihrer einstigen Anwesenheit auszulöschen.

Wälder wie der 'Wald der deutschen Länder', in dem nun ein Bonner Hain angelegt werden soll, wurden vom JNF regelmäßig auf Land angelegt, das von Palästinensern zuvor besiedelt und für die Landwirtschaft oder als Weideland genutzt wurde. Allein Zochrot (heb. Erinnerung) listet auf sei­nen Webseiten 59 JNF-Projekte auf den Überresten palästinensischer Dörfer auf. Ein recht be­kannter Fall ist der 'Canada-Park', nahe Jerusalem, der vom kanadischen Zweig des JNF finanziert wurde. An dessen Stelle befanden sich bis 1967 drei Dörfer - Imwas, Yalu und Beit Nuba. Deren Häuser wurden nach dem Juni-Krieg gesprengt bzw. planiert und die mehr als 5000 Einwohner vertrieben.

Ähnlich verhält es sich mit dem Land, auf dem sich heute der 'Wald der deutschen Länder' befindet, in dem nun ein 'Bonner Hain' angelegt werden soll: bis 1948 gehörte es den Beduinen vom Stamm der Abu-Sukut.

Das Ziel derartiger Wiederaufforstungsprojekte besteht immer darin, die Palästinenser unter dem Deckmantel des Umwelt- und Naturschutzes, durch die Anpflanzung von Wäldern für immer an der Nutzung ihres Landes und ihrer Rückkehr zu hindern. "Naturschutz"-Projekte dieser Art verfolgt der JNF auch noch heute im Negev - nicht weit entfernt vom 'Wald der deutschen Länder' – etwa in Al-Arakib.

Die 'Wiederaufforstung' Al-Arakibs

Als die von Israel betriebene ethnische Säuberung 1948 den Negev überrollte, flohen 65.000 bis 90.000 der dort lebenden Beduinen nach Gaza oder in das Westjordanland. Zu den glücklicheren der etwas mehr als 10.000 in Israel verbliebenen Beduinen gehörten die Bewohner des Dorfes Al-Arakib, das der Zerstörung zunächst entging.

Doch schon wenig später beschloss der israelische Staat die Beduinen in einer Reservation ('Siyag') zu konzen­trieren. 1951 räumten die Bewohner Al-Arakibs ihr Dorf, nachdem man ihnen erklärt hatte, daß sie nach 6 Monaten zurückkehren dürften. Anstelle diese Zusage einzuhalten, wurde ihr bisheriges Siedlungsgebiet zu einem militärischem Sperrgebiet erklärt und sie wurden im Siyag unter Militär­recht gestellt und festgehalten (bis 1966).

Ende der 60'er Jahre begann Israel Townships für die Beduinen im Siyag zu errichten. Diese Townships - heute gibt es sieben davon - gehören heute zu den ärmsten Kommunen Israels. Und sie sind die einzigen Siedlungen, die Israel seit 1948 für seine wachsende palästinensische Bevölke­rung neu ausgewiesen hat. 1953 erließ der israelische Gesetzgeber ein weiteres Gesetz zur Landenteignung der Palästinenser (Land Aquisition Act), das all das Land verstaatlichte, dessen Eigentümer sich am 1. April 1952 nicht auf ihrem Land befanden. So geriet das Land Al-Arakibs, das anschließend zu Agrarland erklärt wurde, in die Hände der 'Israelischen Landadministration' (ILA), von dessen 22-köpfigen Direktorium der JNF zehn Direktoren stellt.

Die Bewohner Al-Arakibs versuchten sich gegen diesen Diebstahl zu wehren, auch vor Gericht. Da all ihre Versuche scheiterten, kehrten sie in den 90ern auf ihr Land zurück, so wie rund die Hälfte (70-90.000) der heute im Negev lebenden Beduinen, die in 45 sogenannten nicht anerkannten Dörfern leben, die von der öffentlichen Infrastruktur komplett abgeschnitten sind: ohne Wasser- und Stromversorgung, Kanalisation oder Müllabfuhr und ohne Wahlrecht (!). Um die nunmehr 'illegal' siedelnden Beduinen zu vertreiben, ließen die Behörden ihre Hütten und Zelte immer wieder neu zerstören, ihre Felder und Weiden unterpflügen, niederbrennen oder (bis 2004) aus der Luft mit Gift besprühen.

Unterdessen wurden immer wieder neue Pläne zur 'Entwicklung' des Negev aufgelegt, zuletzt der Blueprint Negev des JNF, mit dem Ziel, dort bis zu einer Millionen Juden anzusiedeln: Pläne, denen die 'nicht anerkannten Dörfer' der Beduinen im Weg stehen. Nach dem Amtsantritt Netan­jahus entschloss sich der Staat, die aggressivste Variante seiner Planungen durchzusetzen, die vor­sieht, dreissig bis vierzigtausend Beduinen zwangsweise umzusiedeln.

Der Anfang wurde im Sommer 2010 in Al-Arakib gemacht: Bagger und Raupen des JNF zerstörten die Behausungen von 300 Beduinen und rissen 1000 Olivenbäume (!) aus. Seither wurde Al-Arakib, auf dessen Land die widerständigen Beduinen immer wieder neue Hütten und Zelte aufstellten, 40 mal durch den JNF zerstört.

Und während vor den Gerichten noch um das Land Al-Arakibs gestritten wurde und obwohl das Land offiziell als Agrarland ausgewiesen ist, begann der JNF mit der Anpflanzung eines neuen 'Waldes'. So wie er das einst auf dem Land der 'Abu Sukut'-Beduinen tat, auf dem heute der 'Wald der deutschen Länder' steht, in dem nun ein 'Bonner Hain' entstehen soll.




Quellen & Weiterführendes

Zum 'Jüdischen Nationalfonds':
The Jewish National Fund Walter Lehn, Journal of Palestine Studies, Vol. 3, No. 4. (Summer, 1974), pp. 74-96.
Jewish National Fund's Violation of International and Domestic Law Salman Abu Sitta, Palestinian Land Society
The Jewish National Fund Issue #43 of al-Majdal (Winter-Spring 2010) BADIL
The Jewish National Fund and Himnuta in the service of the settlers – to dispossess Palestinians of property in Silwan 'Peace Now'
The Jewish National Fund: How the Land Was ‘Redeemed’ Dan Leon, Palestine Israel Journal
Blueprint Negev Rebecca Manski, mondoweiss

Allgemeines zur israelischen Landnahme in Palästina:
How Palestine Became Israel S.Halbrook, The Journal of Libertarian Studies, Vol. V, No. 4 (Fall 1981)
Die ethnische Säuberung Palästinas von 1948 Ilan Pappe, inprekorr Nr. 438/439 Mai/Juni 2008, Seite 19-35
Ilan Pappe: Die ethnische Säuberung Palästinas Rezension von Ludwig Watzal

Der Fall des 'Canada Parks':
Imwas: Canada Park's Concealed Crime Issue #43 of al-Majdal (Winter-Spring 2010) BADIL, Seite 21-25
Commemorating the three Latrun villages of Imwas, Yalu, and Beit Nuba zochrot

Beduinen im Negev:
INVISIBLE CITIZENS - Israel Government Policy Toward the Negev Bedouin (Summary) Shlomo Swirski, Yael Hasson, Adva Center
Off the Map - Land and Housing Rights Violations in Israel’s Unrecognized Bedouin Villages Human Rights Watch
The Negev's Hot Wind Blowing Jonathan Cook, MERIP
The Search for Sustainability in the Negev The Permaculture Research Institute of Australia
Principles for Arranging Recognition of Bedouin Villages in the Negev The Association for Civil Rights in Israel (ACRI)
Collected Newsletters Negev Coexistence Forum for Civil Equality
Save the Negev neohasid.org

Al-Arakib:
Reclaiming the desert Aviva Lori, Haaretz
Evangelical TV channel turns the Negev into a forest and removes the Bedouin from Al Arakib Nir Hasson, Haaretz
Bedouins get mobilized as Israel pushes them off their land Silvia Boarini
Al-Arakib, Appell an den JNF Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden

Der Fall Al-Arakib vor Gericht:
Beduinen vor israelischen Gerichten: 'Winston Churchill at the Be'er Sheva District Court' Adam Keller
Population Transfer and the Mewat Pretext in the Naqab Salman Abu Sitta, BADIL

Aktivismus zu JNF und Beduinen:
JNF Resources Stop the JNF campaign
Dunum um Dunum Uri Avnery
Zehn Jahre Korntal-Münchinger Wald im Negev sind kein Grund zum Feiern Stuttgarter Palästinakomitee
Zweiter offener Brief an die Abgeordneten des badenwürttembergischen Landtags und den Landtagspräsidenten Hr. Peter Straub, zur Antwort der SPD-Fraktion Stuttgarter Palästinakomitee
Appell des 'Jüdischen Forums für Frieden' an die GCJZ
'Zerstörung von Beduinendörfern im Negev' Kleine Anfrage der Fraktion 'DIE LINKE'
European Members of Parliament Express Deep Concern About Prawer Plan Adalah

 (ts)

Ergänzende Links:
The Negev's Hot Wind Blowing Jonathan Cook, MERIP

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