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Politik (Archiv 2013)
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Aussenpolitische Sprecherin der SPÖ fordert Kennzeichnung für Siedlungsprodukte [07.02.2013]
Die außenpolitische Sprecherin der an der österreichischen Regierung beteiligten SPÖ, Christine Muttonen, fordert die österreichische Regierung in einer Anfrage dazu auf dafür Sorge zu tragen, dass Waren aus den illegalen israelischen Siedlungen in der Westbank nicht länger als israelische Waren nach Österreich eingeführt werden können.
Die Anfrage ist dazu von
einer Deutlichkeit, die man hierzulande schmerzlich vermisst.
Anfrage betreffend die Kennzeichnung von Waren aus Siedlungen in den von Israel seit 1967 besetzten Gebieten
Die Staaten der Europäischen Union importieren neben Waren aus Israel und Waren aus den palästinensisch verwalteten Gebieten auch Produkte aus den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen im Westjordanland. Laut einer Schätzung, welche die israelische Regierung für die Weltbank erstellte, betrugen die Exporte aus diesen Siedlungen in die EU in den vergangenen Jahren jeweils um die 230 Millionen Euro und damit 15 Mal so viel wie die entsprechenden Exporte aus den Palästinensergebieten, die nur Waren im Wert von ca. 15 Millionen Euro in die EU-Staaten lieferten.
Gemäß Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention verstoßen die israelischen Siedlungen in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten gegen das humanitäre Völkerrecht. Das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) vom 9. Juli 2004 zum israelischen Mauerbau bestätigt die Völkerrechtswidrigkeit dieser Siedlungen. Der UN-Sicherheitsrat hat die israelischen Siedlungen im Westjordanland mehrmals als illegal bezeichnet, u.a. in den Resolutionen 446, 452, 465 und 471. Auch die UN-Generalversammlung hat die israelische Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten über die Jahre in mehreren Resolutionen verurteilt und die Souveränität der Palästinenser über ihre natürlichen Ressourcen betont (bspw. Resolution 59/251). Zudem hat die UN- Generalversammlung in Resolution 36/173 auch Drittstaaten, internationale Organisationen und Wirtschaftsunternehmen dazu aufgerufen, die illegale Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der besetzten Gebiete nicht zu unterstützen. Auch die Bundesregierung erklärte wiederholt, dass sie Israels Siedlungen in den besetzten Gebieten für völkerrechtswidrig hält und unterscheidet entsprechend zwischen dem Gebiet des Staates Israel und den 1967 besetzten Gebieten.
Israel verstößt jedoch nicht nur durch den Bau illegaler Siedlungen gegen das internationale Völkerrecht, sondern auch durch die landwirtschaftliche Nutzung der Siedlungsgebiete. Durch den Anbau von Agrarprodukten in den besetzen Gebieten durch israelische Siedler nimmt die israelische Besatzungsmacht in Kauf, dass die natürlichen Ressourcen in den besetzten palästinensischen Gebieten ausgebeutet, geschädigt und allenfalls erschöpft werden. Dies verletzt die souveränen und unveräußerlichen Rechte des palästinensischen Volkes über seine natürlichen Ressourcen, namentlich sein Recht auf Land und Wasser, wie sie in Artikel 1 beider UNO-Menschenrechtspakte (Internat. Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte & Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte) verbrieft sind.
Da Israel im Widerspruch zum Völkerrecht die illegalen Siedlungen dem Staat Israel zurechnet und die Produkte aus diesen Gebieten als „Made in Israel" auszeichnet, ist es für die europäischen Konsumentinnen unmöglich zu erkennen, ob sie durch den Kauf ein in Israel hergestelltes Produkt erwerben oder aber eine in den illegalen Siedlungen produzierte Ware.
Im Sinne einer transparenten und verbraucherfreundlichen Politik haben daher bereits einige europäische und nicht-europäische Staaten und Unternehmen Maßnahmen ergriffen, die eine eindeutige Kennzeichnung von Waren aus israelischen Siedlungen im Westjordanland bewirken.
Das britische Ministerium für Umwelt, Ernährung und Landwirtschaft (Defra) hat am 10. Dezember 2009 einen «Technical Advice» an Groß- und Einzelhändler zur Kennzeichnung von Lebensmittelprodukten aus israelischen Siedlungen im Westjordanland veröffentlicht, der den Händlern empfiehlt, der bisherigen Herkunftsangabe «Produce of the West Bank» mit den Ergänzungen «Israeli settlement produce» oder «Palestinian produce» zusätzlichen Hinweise auf den genauen Ursprung beizufügen. Ende Mai 2012 kündigten die Regierungen Südafrikas und Dänemarks an, dem britischen Beispiel zu folgen und Siedlungsprodukte in Zukunft als solche zu kennzeichnen, anstatt sie weiterhin unter dem Label „Made in Israel" vermarkten zu lassen.
In Norwegen haben der größte Importeur von Früchten und Gemüse aus Israel (BAMA) und Coop Norwegen alle israelischen Produzenten und Lieferanten eine Einverständniserklärung Unterzeichnen lassen, in der sie garantieren, dass keine Produkte aus den besetzten Gebieten an BAMA und Coop Norwegen verkauft werden. In der Schweiz will die Ladenkette Migros ab Mitte 2013 Waren aus den Siedlungen kenntlich machen.
Nicht nur für die europäischen Konsumentlnnen ist es schwer, nachzuverfolgen, welchen Ursprung Produkte "Made in Israel" haben, auch dem Zoll der EU-Mitgliedsländer bereitet das Probleme. Das Assoziierungsabkommen der EU mit Israel von 1995 gewährt israelischen Produkten Zollvergünstigungen, gilt jedoch nicht für Waren aus den illegalen israelischen Siedlungen. Um zu verhindern, dass Waren aus den Siedlungen fälschlicherweise in den Genuss der Zollvergünstigungen kommen, trat Ende 2005 eine informelle technische Vereinbarung in Kraft, der gemäß der Ursprungsort aller Waren mit der amtlichen Ursprungsangabe „Israel" durch Postleitzahlen kenntlich gemacht werden muss. Hierdurch sollen die europäischen Zollbehörden seither die Möglichkeit bekommen , zwischen den Waren aus Israels und denen aus den völkerrechtswidrigen Siedlungen zu unterscheiden und Siedlungsprodukte von der Zollpräferenz auszuschließen. Allerding steht das praktizierte Verfahren unter der Kritik nicht genügend effizient zu sein und die illegale zollfreie Einfuhr von Siedlungsprodukten nicht ausreichend verhindern zu können.
Im Februar 2012 hat das Europäische Parlament in einer Resolution diese Kritik aufgenommen und dazu aufgerufen, die bestehende Technische Vereinbarung zwischen der EU und Israel durch einem neuen Mechanismus zu ersetzen. Dieser neue Mechanismus sähe vor, dass nicht mehr die europäischen Zollbehörden den Herkunftsort der Importware überprüfen müssen, sondern die Beweislast umgekehrt wird und statt dessen die israelischen Zollbehörden Waren und Produkte aus Israel, die in die EU eingeführt werden sollen klar zu unterscheiden haben von in Siedlungen hergestellten Waren und Produkten. Laut Europäischem Parlament nehmen die israelischen Zollbehörden und Exporteure diese Unterscheidung bereits intern vor, kommunizieren diese aber nicht nach außen an europäische Zollbehörden.
(ts)
Ergänzende Links:
OFFENER BRIEF
der 'Steirischen Friedensplattform' an die
Sozialdemokratische Partei Österreichs