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Politik (Archiv 2011)
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"Fall des Pharaos: Aufbruch im Arabischen Raum,
ein Dilemma für die Heuchler der westlichen Welt" [18.02.2011]
Gastkommentar von Dr. I. Musa
Der Pharao ist weg. Die Revolution des Volks hat gesiegt und die westliche Welt, damit ihre Glaubwürdigkeit nicht ganz und gar auf der Strecke bleibt, überschlägt sich in der Abgabe von Äußerungen, Erklärungen, Anweisungen, Ratschlägen und Forderungen, wie es nun dort weitergehen sollte. Die Ägypter sind keine Hinterweltler und warten sicherlich nicht darauf, bevormundet zu werden.
Wo war denn die westliche Welt in den letzten dreißig Jahre während der Herrschaft des Pharaos? Dreißig Jahre hat man hier die Schreie hungernder, unterdrückter und entrechteter Menschen überhört. Mubarak diente so lange als Aktivposten und Eckpfeiler amerikanisch-europäischer Politik, zum Schutze Israels in der Region. Er war derjenige, der die Vichy-Regierung der Palästinenser in Ramallah knetete, um von ihr mehr Konzessionen abzuverlangen, bis von Palästina nichts mehr übrig blieb. Bei Mahmoud Abbas und seiner Verräter-Bande fand der Quisling weit offene Ohren, um Palästina endgültig den Zionisten zu überlassen. Dafür war der Tyrann gut genug und durfte alles tun und lassen, was er wollte. Alles wurde vom Westen durch gewunken.
Die Hypermoralisten in der westlichen Welt wie Merkel, Sakoszy oder Obama haben die Schreie des Volkes nach Demokratie und Freiheit dreißig Jahre lang nicht nur überhört, sondern haben den absoluten Herrscher toleriert, hofiert und unterstützt. Der Pharao, auch sein Schmarotzerapparat, durfte Korruption in Megaform betreiben. Mubarak allein, häufte ein astronomisches Vermögen von 70 Milliarden Dollar an, dazu kommen unzählige Immobilien, Grundstücke und zahlreiche Firmen‚ geführt unter Decknamen. Die Inhaber der Decknamen wurden für ihre Untaten fürstlich belohnt und in den Milliardärsstand gehoben. Sogar der Außenminister Ahmad Abu Al-Gheith gilt, mit nur zwei Milliarden Vermögen, als „unvermögend“. Summiere man das Vermögen der korrupten Bande zusammen, überstiege das die gesamten Auslandsschulden Ägyptens um ein Mehrfaches.
Reichtum und Macht haben den Pharao taub und blind für die Bedürfnisse und Leiden seines Volkes gemacht, wodurch ihm schließlich ein unwürdevoller Abgang bereitet worden ist. Er vertraute auf seinen gewaltigen Unterdrückungsapparat von 1,4 Millionen Polizei- und Sicherheitskräften, die nicht, wie üblich, als Beschützer des Volkes dienten, sondern in diesem ihren Feind sahen.
Das Volk hat zwar nach Freiheit, Demokratie, Menschenrechte, sozialer Gerechtigkeit, nach Arbeit, Brot, Beendigung des 30-jährigen Ausnahmezustands und vor allem nach Würde und Ehre verlangt. Diese und andere wirtschaftliche und soziale Faktoren spielten eine wichtige Rolle beim Sturz des Pharaos. Dennoch waren diese Forderungen nicht der Hauptgrund für die großartige Revolution. Diese bildeten nur die Spitze des Eisberges. Nein, der Hauptanstoß für den überwältigen Aufstand lag viel tiefer, und zwar in der Schmach und der Schande, die der Pharao seinem Volk zufügte und über es brachte, als er ihre Brüder und Schwestern in Gaza einschloss und an die Zionisten auslieferte. Auch seine Rolle als Befehlsempfänger Israels und der USA nahm ihm das stolze Volk übel, da es ihre Ehre zutiefst verletzte. Das alles, mit dem sozialen Elend, führte schließlich zur „Alles-oder-Nichts-Revolution“, die mit „Alles“ ein gutes Ende nahm. Auch in Tunesien war der Fall ähnlich gelagert.
Nachdem Amerika zu der Überzeugung kam, dass die Spitze dieses Regimes nicht mehr zu retten sei, ist man versucht, die Säulen des Systems, in Form von Geheimdienstchef Omar Suleiman und seinesgleichen, zu tarnen und zu installieren. Das Spiel ist billig und durchschaubar. Keiner ist so naiv, der nicht die Vergangenheit des Schlächters Omar Suleiman kennt. Insbesondere seine Verdienste für Israel und dessen Vichy-Regierung. Deshalb ist das Volk entschlossen, das Regime samt Säulen zu beseitigen.
Frau Merkel, das wichtigste Sprachrohr Israels in Europa, nennt es eine historische Wandlung aber gleichzeitig verbindet damit die Forderung, das Verratsabkommen von Camp David mit Israel müsse bestehen bleiben. Nun hat sie es uns mitgeteilt, was ihr zunächst am Herzen liegt. Jedoch, es war und bleibt ein eiskalter Frieden, der nie in den Herzen und Köpfen der Menschen in Ägypten stattfand. Das hat der Autokrat auch nie erzwingen können. Ein Frieden, der nun im Gefrierfach seinen besten Platz finden wird, begleitet von den Doppelstandards und Heuchelei westlicher Länder.
Diese revolutionären Funken aus Tunesien und Ägypten haben den langersehnten Umbruch in der arabischen Welt bewirkt. Die nächsten sind Algerien, Jemen, Jordanien, Bahrain und was undenkbar erschien, auch Libyen. Inzwischen sind überall dort zahlreiche Tote und viele Verletzte zu beklagen. Bahrain, der wichtigste Partner Amerikas, wo die fünfte US-Kriegsarmada ankert, hat alle Bahraini-Familien mit je 2.600 US-Dollar beschwichtigen wollen, was ihm auch nicht nutzte. Positive Anzeichen im Maghreb sind zu vermelden. Die Kollaborateure in Ramallah und Saudi Arabien werden sicherlich die Nächsten sein.
Ein Letztes, es ist noch lange nicht alles überstanden. Es lauern, besonders was Ägypten betrifft, sehr große Gefahren seitens Israel und seiner Handlanger USA und Europa. Zumal wenn man bedenkt, Ägypten wird sich während des Demokratisierungsprozesses nationalistischer ausrichten und nicht als Befehlsempfänger des Westens fungieren. Es bleibt auch zu hoffen, dass das neue Ägypten sich gegenüber den Palästinensern in Gaza anders verhalten wird. Wie das der westlichen Welt, der Vichy-Regierung in Ramallah, aber auch den „Gemäßigten“ (willigen) Arabern gefällt ist noch offen. Bei einem Demokratisierungsprozess im arabischen Raum wird die USA ein unberechenbarer Risikofaktor sein, da die neuen, demokratisch gewählten, Machthaber keine „Gemäßigten“ Amerikawilligen sein werden.
Im ganzen Spiel in Ägypten ist die Armee als eine Schwachstelle zu betrachten, obwohl das ägyptische Volk das Vertrauen in sie setzt und höchste Achtung für sie hegt. Für mich ist sie allerdings nicht die Armee von 1952, nicht von 1956 und nicht von 1973. Nach dem Yom-Kippur-Krieg vom Oktober 1973 war sie die Armee von Anwar Sadat, und danach 30 Jahre lang die vom Diktator Mubarak gewesen. Und diese war, wie der Pharao, von Amerikas Gnaden abhängig. Es bleibt spannend.
(ts)