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Politik (Archiv 2007)
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2007092601
Haidar Abdel-Shafi gestorben [26.9.2007]
Am gestrigen Dienstag verstarb in Gaza Haidar Abdel-Shafi (*10.6.1919 -
+25.9.2007), Mitbegründer der Palästinensischen
Befreiungsorganisation (PLO), Politiker und Arzt, im Alter von 88
Jahren. Nach Mitteilung seiner Familie ist er einem Krebsleiden
erlegen. Abdel-Shafi war einer der allgemein respektierten
palästinensischen säkularen Führungspersonen in Gaza,
der anfangs der ehemals kommunistischen „Palestinian
People’s Party” nahe stand. 1991 war er der erste
Delegationsleiter der PLO-Vertretung bei den Madrider Verhandlungen,
die zwei Jahre später zu den Osloer Verträgen und zur
Einrichtung der Palästinensischen Autonomiebehörde in Teilen
des Westjordanlands und im Gazastreifen führten. Er war aber auch
einer der ersten und heftigsten Kritiker der Osloer Verträge, die
seiner Ansicht nach die israelische Besatzung nicht beendeten, sondern
verstärkten. Er scheute auch vor Kritik an PLO-Chef Yasser Arafat
und der Autonomieverwaltung nicht zurück, die er der Korruption
und Vetternwirtschaft bezichtigte. Zusammen mit Mustafa Barghouthi
gründete er im Januar 2002 in Ramallah die „Palestinian
National Initiative” (Mubadara).
Abdel-Shafi wurde 1919 in Gaza geboren. In Beirut erlangte er 1943 am
American University College den Doktor der Medizin und arbeitete
anschließend in Krankenhäusern in Jaffa. 1945 eröffnete
er in Gaza eine Arztpraxis und war Mitbegründer der Arabischen
Medizinischen Gesellschaft. In den Unruhen von 1947 versorgte er die
palästinensischen Kämpfer mit medizinischer Hilfe. Als er
1956 in den von Israel installierten Gemeinderat berufen wurde,
verweigerte er seine Mitarbeit. Von 1957 bis 1960 wurde er zum Leiter
des Medizinischen Dienstes in Gaza berufen.
1962 wurde er Vorsitzender des ersten Palästinensischen
Gesetzgebenden Rates (Palestinian Legislative Council) in Gaza.1964 war
er Delegierter bei der ersten gesamt-palästinensischen Konferenz
(Palestinian National Council) in Jerusalem und half bei der
Gründung und dem Aufbau der „Palestine Liberation
Organisation” (PLO) mit. Von 1964-1965 war er Mitglied des ersten
Exekutivkommitees der PLO. Seit Gründung der PLO war Abdel-Shafi
einer ihrer führenden Vertreter in Gaza. Er wurde wegen seiner
Unterstützung der PLO mehrfach von Israel festgenommen und
deportiert, kehrte aber immer wieder nach Gaza zurück.
1972 gründete er das Palästinensische Rote Kreuz, dessen Vorsitzender er wurde.
1991 leitete er die palästinensische Delegation bei der Madrider
Friedenskonferenz und war anschließend für 22 Monate
Chefunterhändler bei den Washingtoner Gesprächen 1992 und
1993. Seine Kritik an den Osloer Verträgen besagte schon damals,
dass sie ineffektiv und kontraproduktiv seien, solange sie die Frage
der israelischen Siedlungen unberührt ließen.
1996 wurde er mit der höchsten in Gaza erreichten Stimmenanzahl in
den Palästinensischen Gesetzgebenden Rat (Palestinian Legislative
Council - PLC) gewählt, dessen politischem Kommitee er kurzfristig
angehörte. Beim Ausbruch der Zweiten Intifada drängte er die
Palästinensische Autonomiebehörde, die Intifada zu
organisieren, anstatt sich von ihr zu distanzieren.
Seine politische Hoffnung war immer, eine breite demokratische Basis
für eine Regierung zu schaffen. 2002 gründete er mit Edward
Said, Dr. Mustafa Barghouthi und Ibrahim Dakkak die Palestinian
National Initiative. Am 8. April 2007 wurde er von Präsident
Mahmoud Abbas mit dem palästinensischen Verdienstorden für
seinen langen und entschiedenen Dienst am palästinensischen Volk,
für seinen Kampf um eine nationale Einheit und seine Arbeit in der
Palestinian National Initiative geehrt.
Abdel-Shafi hinterlässt seine Frau, seine vier Kinder Hind, Khaled, Tarek und Salah und sieben Enkel.