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2010042901
'Nie wieder!' kritisches zu Israel in der taz? [29.04.2010]
Am Dienstag dieser Woche, sollte in Berlin ein Tribunal stattfinden, bei dem die Jüdische Gemeinde zu Berlin die taz-Chefredakteurin, Ines Pohl, Mores lehren wollte.
Das Vergehen der taz bestand in der Veröffentlichung eines Kommentars von Iris Hefets - Pilgerfahrt nach Auschwitz - in dem sie die Instrumentalisierung des Holocausts durch den israelischen Staat hart kritisierte. Wie zu erwarten führte dies zu einem Aufruhr, der auch nach dem später erfolgten Abdruck einer eher schwachen Replik von Alexander Hasgall - Lehren aus dem Holocaust - nicht abklingen wollte.
So beschloss die jüd. Gemeinde eine Podiumsdiskussion
auszurichten, zu der sie allerdings nicht Iris Hefets -
Jüdin und israelische Staatsbürgerin - einlud, sondern
die Chefredakteurin der taz, Ines Pohl, die es gewagt hatte
den Kommentar abzudrucken.
Daneben wurden die Redakteure
anderer Zeitungen eingeladen, von denen wenigstens eine
bereits als Stichwortgeberin bei der
Rufmordkampagne
gegen Ludwig Watzal aufgetreten ist.
Das Ziel der Veranstaltung, so erklärte die jüdische Gemeinde ganz offen in der Einladung, bestehe darin, die Grenzen der Zensur - die 'rote Linien' - neu zu justieren. Mit der Kritik an der Instrumentalisierung des Holocaust für die israelischen Staatsraison sei die Grenze zum Antisemitismus überschritten.
Die Dinge entwickelten sich an dem Abend jedoch nicht so wie erwartet. Eine der Gründe dafür dürfte sein, daß die Vertreter der 'Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost' bereits zuvor eine Erklärung veröffentlicht hatten, in der sie die Vereinnahmung des Holocaust durch die jüdische Gemeinde kritisierten.
Eröffnet wurde der
Abend mit einer polemischen Einleitung
durch die Vorsitzende der jüdischen Gemeinde - Frau
Süsskind -, ebenfalls eine alte Bekannte aus dem Fall Watzal.
Daraufhin erhoben sich zunächst einige der Anwesenden,
erklärten sich solidarisch mit Iris Hefets und verlangten
sie sprechen zu lassen.
Da sich diese 'Störer' nicht dazu bringen liessen den Saal
zu verlassen, musste wenigstens ein Teil von Ihnen von
Ordnungskräften entfernt werden.
Anschliessend erhielt Ines Pohl das Wort, die das
einzig richtige tat und wie die 'Störer' forderte,
daß Iris Hefets selber zu den Vorwürfen gehört werden müsse.
Damit hatte sie das Fass zum Überlaufen gebracht. Frau Pohl
musste sich dann nicht nur - wie nicht anders zu erwarten - als Nazi
titulieren lassen - sondern wurde nach eigenen Aussagen
auch noch angespuckt.
Nachdem die Veranstalter anscheinend nicht in der Lage oder Willens waren, wenigstens die einfachsten Voraussetzungen für einen zivilisierten Diskurs herzustellen, zog es Frau Pohl vor die Veranstaltung zu verlassen.
Fazit
Die jüdische Gemeinde Berlin ist beschädigt worden, deren Führung offenbar ein Problem damit hat Opposition auszuhalten und sich nicht von der israelischen Staatsraison ablösen kann. Das sie das selber so sehen wird, erscheint angesichts der vorherrschenden Wagenburgmentalität jedoch als eher unwahrscheinlich.
Die taz-Chefredakteurin hat dagegen gewonnen, ihren Unwillen demonstriert, sich der 'Israel'-Zensur zu unterwerfen. Ob auch die taz gewinnen wird, deren Nahost-Berichterstattung aus schlichtester Besatzungs-PR besteht, das muss sich erst noch zeigen.
(ts)