Institut für Palästinakunde
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Ein Anruf aus der Hölle [10.08.2014]

Gaza: Israeli Soldiers Shoot and Kill Fleeing Civilians von Azmi Al-Najjar

Seitdem sich Arafat und Rabin 1993 im Weißen Haus die Hände reichten sind zwanzig Jahren vergangen. Es gab Hoffnung für zwei Staaten, die nebeneinander in Frieden leben würden. Zwei Jahre später wurde Rabin von einem jüdischen Extremisten ermordet, seitdem ist man keinen Schritt weiter gekommen.

Als Scharon Premier-Minister wurde, verschlimmert sich die Lage, alle Hoffnungen wurden zunichte gemacht. In Ramallah wurde Arafats Regierungssitz erst belagert, dann bombardiert. Die Belagerung wurde erst eingestellt, nachdem Arafat vergiftet und nach Paris ausgeflogen wurde.

Seitdem floss ständig Blut, besonders im Gazastreifen, sei es 2002, 2006, 2008, 2012 oder jetzt Ende Juni 2014. Innerhalb von 28 Tagen wurden 1883 Menschen ermordet, davon 400 Kinder unter zehn Jahren, 286 Frauen und fast zehntausend teilweise schwer verletzt. Über ein halbe Million Menschen sind obdachlos geworden, nachdem ihre Häuser dem Erdboden gleichgemacht wurden. Weder Krankenhäuser, Wasserwerke und Elektrizitätswerke wurden verschont, nicht einmal Schulen der UNO - wo die Menschen Schutz suchten.
Andauernd erreicheen uns Bilder des Schreckens und wir sitzen hier und zittern um unsere Verwandten.

Im Grunde habe ich nicht vorgehabt solange in Deutschland zu bleiben und träumte davon in mein Land zurückzukehren. Deshalb packte ich meine Koffer und flog dorthin.

Nach mehreren Stunden Verhör am Flughafen Ben-Gurion ließ man mich frei.
Vor dem Flughafen hatte mein Vetter und Jugendfreund doch auf mich gewartet. Wir stiegen in's Auto ein und fuhren Richtung Gazastreifen wo meine Familie und eine Menge Verwandter von vor 1948 lebten.

Wir waren noch unterwegs und näherten uns einer große Kreuzung, als mir ein alleinstehendes Haus auffiel. "Bitte dort anhalten.", sagte ich zu meinem Vetter. Mein Instinkt sagte mir, dass dies das Anwesen meiner Eltern war, das Haus in dem ich den ersten Schrei tat, bevor wir es 1949 verlassen mussten. Mein Vetter schaute mich an und fragte mich, woher ich das wüsste. Ich sagte ihm, "Von den Erzählungen meiner Eltern.“ Ich stand vor dem Haus und kniete auf den Boden, und sah in ihm die Pyramiden von Gizeh. Es war immer noch unbewohnt. Ich zog meine Kamera, ging rein und machte ein paar Fotos. "Schnell," sagte mein Vetter "bevor jemand die Polizei ruft, dann kommen wir hier heute nicht mehr weg."

Vor der Dämmerung erreichten wir Khan Yunis, die Stadt in der meine Familie lebt. Kaum aus dem Wagen ausgestiegen, kamen mir hunderte Menschen entgegen, Küsschen hier und Küsschen dort. Alte Männer, Jungs und Kinder. Auf jeden den ich kannte, kamen zehn von denen ich nicht wusste, zum wem sie gehörten. Als das Abküssen zu Ende ging war ich am Ende und legte mich, so wie ich war, ins Bett und wachte erst am mittags des nächsten Tags wieder auf.

Am Flughafen bekam ich ein Stück Papier auf Hebräisch, in dem stand, dass ich mich beim Schin Bet (Inlandsgeheimdienst) melden müsse. Während der vier Wochen, die ich dort verbrachte, musste ich mich fast jeden zweiten Tag zum Verhör melden. Obwohl ich Abschriften Diplom-Abschlusses mitgenommen hatte, Boden und Geld vorweisen konnte, gab man mir 24 Stunden Zeit, um das Land zu verlassen.

Ich kehrte wieder nach Deutschland zurück, wo wir in Bonn die "Informationsstelle für Palästina" eröffneten, die stillschweigend als PLO Büro anerkannt wurde.

Trotzdem habe nicht aufgehort vom Frieden zu träumen, den es wahrscheinlich nie geben wird, solange die Zionisten an der Macht sind und ganz Palästina für sich beanspruchen, den Staat Israel, vom Euphrat bis an den Nil, so wie sie es ihre Kinder an der Schule lehren, .

Im Grunde habe ich nie aufgehört davon zu träumen, eines Tages in meiner Heimat, in Palästina, auf unserer Farm zu leben. Obwohl ich hier ein schönes Leben hatte, gerade während meiner Studienzeit, wollte ich den Rest meines Lebens dort zubringen, notweise auch im Gazastreifen.

Darüber sprach ich mit meinem Bruder, der über vierzig Jahre in den Emiraten gearbeitet hatte. Anscheinen war ich nicht der einzige der diesen Wunsch hatte, deshalb beschlossen wir unser Haus in Kahn Yunis abzureisen und es wieder neu zu bauen. Ich beauftragte meinen Vetter einen Architekten zu suchen und möglichst schnell mit der Arbeit zu fingen. Bevor sie angefangen konnten begannen die die Israelis zu bombardieren.

Nun war wieder Krieg und ich saß im Garten, vor mir der Laptop und an der Seite ein kleiner Fernseher. Hin und wieder rief ich meine Verwandten und alte Freunde an, um zu hören, wie es ihnen ginge. Sie berichteten mir über den Schrecken und wieviele bis dahin auch von der Familie getötet wurden.

Inzwischen waren 18 Tage vergangen, da rief mich Nadia eine unserer palästinensischen Freundinnen an. "Hast du gehört?" fragte sie mich. Ich sagte "Was?". Da sagte sie, dass 17 Mitglieder der Familie El Naggar in Kahn Yunis getötet worden seien. Ich machte das Internet an und las es in einer Online-Zeitung, dann rief ich meine Verwandten einen nachdem anderen an, aber es gab keine Antwort. Schließlich erreichte ich meinen Vetter am Handy.

Ich wusste nicht, ob er am Lachen oder am Weinen war. Die Verbindung war sehr schlecht. Ich hörte ihn mit komischer Stimme sagen, "Euer Haus wurde dem Erdboden gleichgemacht, die Blödmänner haben euch den Abriss erspart."
Ich sagte ihn, "Bist du noch bei Sinnen? Ich möchte wissen wie euch geht." Schließlich sagte er "Vorgestern habe ich den siebzehnjährigen Enkel zu Grabe getragen, er war der fünfzehnte Tote der Familie, und gestern wieder zwei seiner Freunde, die ihn zum Grab trugen.“ Sie hatten hier übernachtet, und jetzt liegen sie neben ihm." fügte er hinzu.

"Die Israelis wollen dass wir weglaufen, aber ich habe keine Angst vor dem Sterben. Lieber hier begraben werden, als wegzulaufen. Den Fehler von 1948 machen wir nicht noch einmal. Es macht mich traurig zuzusehen, wie meine Enkel vor Durst oder Hunger umfallen und sterben. Ich bete, dass Gott mich zu sich nimmt, bevor ich das erleben muss. Noch mehr ängstigt mich, dass sie Krank werden und einer nach dem anderen stirbt, weil auch die Krankenhäuser bombardiert werden. Wir haben kein Wasser kein Brot, nicht mal Strom, und die Kanalisation läuft über die Straßen um uns her, das macht uns mehr Sorgen, als die Bomben."

Als das Gespräch dem Ende entgegen ging hörte ich ein komisches Geräusch. Ich fragte ihn, was das sei. Da sagte er: "Sanana, das ist ein Sanana, eine Drohne." Ich sagte ihm, er solle sich verstecken. Nun lachte er und sagte, "Wohin, mein Haus ist auch getroffen, und warum sollte ich? Wenn mein Zeit auf Erden zu Ende ist, dann bitte, Gott Weiß wann er mich zu sich nimmt."

In dem Moment hörte ich eine Explosion, das Handy wurde stumm, und ich weiß immer noch nicht, ob er oder eins seiner Kinder oder Enkelkinder die Nummer achtzehn oder vielleicht die Nummer zwanzig geworden ist.

 (ts)

Ergänzende Links:
Gaza: Israeli Soldiers Shoot and Kill Fleeing Civilians

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