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Gesellschaft (Archiv 2012)
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2012031500
Pilgerreisen ins Heilige Land sind ein Ruf Gerechtigkeit zu suchen [15.03.2012]
'Kairos Palestine' und die 'Alternatice Tourism Group' widersprechen Vater Pierbattista Pizzaballa, dem internationalen Kustos des Heiligen Landes und Vorsteher der Franziskaner.
Pilgerreisen ins Heilige Land sind ein Ruf Gerechtigkeit zu suchen
Mit Bestürzung und tiefer Betroffenheit haben wir die Darstellung von Vater Pierbattista Pizzaballa wahrgenommen, dem Internationalen Wächter des Heiligen Landes/Ordensoberen der Franziskaner, in der er äußert, dass “ein Pilger nicht in das Heilige Land kommt um die Politik zu verstehen oder um die Geographie zu verstehen. Zuerst und vor allem ist er ein religiöser Pilger.”
“Kairos Palästina” und die “Gruppe Alternativer Tourismus” möchten darauf antworten und widersprechen jener Behauptung über die Natur und Aufgabe von Pilgerschaft.
Es ist unsere Überzeugung, dass christliche Schwestern und Brüder, wenn sie nach Palästina reisen, sich daran erinnern müssen, dass eine christliche Pilgerschaft eine spirituelle Reise ist, die den Fußstapfen Jesu Christi folgt, um das eigene Bekenntnis zu Jesus Christus zu erneuern und die Verpflichtung, seinen Lehren entsprechend zu leben. Dementsprechend muss es eine klare Anerkennung des hartnäckigen Konfliktes geben, der aus der fast 45-jährigen israelischen Besatzung palästinensischer Gebiete hervorgeht, ja: schon mit der “Nakba” 1948 begonnen hat. Angesichts ihrer furchtbaren Lebensumstände laden die Palästinenser Besucher – seien sie Touristen oder Pilger – ein, die Wirklichkeit zu sehen und zu bezeugen, wie sie unter einer sündhaften und brutalen militärischen Besatzung tatsächlich ist.
Natürlich kommen Pilger mit religiösen Zielen, um den Schritten Unseres Herrn zu folgen. Und doch kann das christliche Leben nicht getrennt werden von dem Leben der Brüder und Schwestern. Jesus sagte: “Was ihr an einem meiner Brüder tut, das tut ihr an mir.” Deshalb sollte auch der Pilger/die Pilgerin informiert sein über das reale Leben seiner/ihrer Brüder und Schwestern rund um die heiligen Stätten.
Politik betrifft nicht nur den Staat Israel und die palästinensiche Regierung. Politik ist, was unser tägliches Leben ausmacht. Christen in Palästina haben ein schwieriges Leben: Check Points, Einschränkung der Freiheit und begrenzte wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Viele Palästinenser schmachten in Gefängnissen, während Israelis, ohne sich der ungerechten Maßnahmen ihrer Regierung bewusst zu sein, die Unterdrückung akzeptieren und in einer Situation der Angst leben.
Deshalb sollten Pilger die Schmerzen ihrer Brüder und Schwestern rund um die heiligen Stätten in ihre Gebete einschließen und in ihren Herzen tragen, Schmerzen von Christen, Moslems und Juden. Denn wahrer Glaube verlangt von einem Christen anderes, als unbedacht Stereotype und Unwahrheiten zu verstärken. Der echte christliche Pilger sucht den lebendigen Christus im Hier und Jetzt, in Solidarität mit den Unterdrückten. Dies wird umso dringlicher, wenn man bedenkt, dass (manche) Christen die Besatzung legitimieren, indem sie Theologien zitieren, welche die grundlegenden christlichen Lehren über Liebe und Solidarität mit den Unterdrückten leugnen.
“Kommt und seht!” ist unsere Herausforderung – eine Herausforderung, unsere zerstörten Olivenhaine zu sehen, die Bulldozer, die unsere Häuser niederreißen; unsere antiken Terrassen dezimiert; unsere Gemeinden und Städte durch eine Trennungsmauer geteilt; unsere Kinder gefangen; unser Volk enteignet und im Exil.
Für palästinensische Christen sind die heiligen Stätten nicht bloß touristische Zielorte – oft sind es ihre eigenen lokalen Kirchen – Orte von Bedeutung für ihren alltäglichen Gottesdienst.
Die Menschen in diesen Gemeinden – die “lebendigen Steine” – sind die Bewahrer geistlicher Traditionen im Heiligen Land und Beschützer der Orte, die Ereignisse im Leben Christi und der Propheten markieren.
Wir hoffen, dass unsere Klarstellungen darüber, was wahre Pilgerschaft bedeutet, Christen überall befähigen werden, ihr Verständnis von Pilgerschaft neu zu bewerten, und dass sie die Versuchung hinter sich lassen, das Religiöse vom Politischen in unserem Kontext zu trennen. In unserem Fall ist das Religiöse zu einem Vorwand gemacht worden, unserem Volk Leid zuzufügen.
Unsere brennende Hoffnung ist, dass Menschen zu uns kommen und bereit sein werden, Verwandlung zu erfahren – nicht bloß, um eine falsche und individualistische, nur sie selbst befriedigende und erfreuende Spiritualität zu gewinnen.
In dem “Kairos”-Dokument schrieben wir unter Punkt 6.2:
“Damit sie unsere Wirklichkeit verstehen, sagen wir zu den Kirchen: Kommt und seht. Wir werden unsere Rolle erfüllen, euch die Wahrheit unserer Realität bekannt zu machen, wenn wir euch als Pilger empfangen, die zum Beten zu uns kommen, und wir tragen dabei eine Botschaft des Friedens, der Liebe und der Versöhnung mit uns. Ihr werdet die Tatsachen kennen und die Menschen dieses Landes, Palästinenser ebenso wie Israelis.”
Wir bitten euch, in Solidarität mit den Friedensstiftern und mit denen, die Gerechtigkeit suchen in unserem Land, zu beten und zu handeln.
In Solidarität
Kairos Palästina & Gruppe Alternativer Tourismus
14. Februar 2012
(ts)