Institut für Palästinakunde
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Start / Gesellschaft (Archiv 2010) / 2010050801

Unter Besatzung (17)
Al-Walladje wird eingemauert (A.) [08.05.2010]

Al-Walladje ist ein kleines agrarisch geprägtes Dorf mit ca. 2,000 Einwohnern, südlich von Jerusalem und westlich von Bethlehem.

Nachrichten von A. aus Palästina (© C. Latuff) Hallo,

es ist nicht so, daß keine Leute in den letzten Wochen verhaftet wurden, oder geschlagen. Tatsächlich setzt Israel den Bau der Apartheidsmauer an zwei, nicht weit von mir entfernten Orten, mit unglaublicher Geschwindigkeit fort. Sie reissen alte Olivenbäume aus und zerstören vor den Häusern die Kanalisation, das Strassenpflaster, die Plätze zum Spielen und die Gärten, um die Betonwand direkt vor den Fenstern der Menschen hochzuziehen, die ihr Leben für immer verändern wird,
Es ist sehr schmerzvoll zuzusehen, wie die Familien zusammenbrechen während sie zusehen müssen wie die Bulldozer ihre jahrzehnte alten Häuser zerstören.

Natürlich protestieren die Leute auch ganz legal, und während der letzten paar Wochen wurden viele Freunde verhaftet und durch die zunehmend aggressiven Soldaten verletzt. Ich habe nichts darüber geschrieben, zum ersten weil ich zu müde dazu bin, zum zweiten, weil solche Dinge mittlerweile zu häufig passieren; zu wenig Zeit zu reflektieren bleibt, und wir nicht die Zeit finden gute Berichte zu schrieben.

Gestern, am frühen Morgen, brach eine Gruppe zum Dorf al-Walladje auf. Ein Dorf, dessen Bewohner 1948'er Flüchtlinge sind, deren ursprüngliches Dorf Opfer der ethnischen Säuberung wurde.
Dann, nach 1967 wurden die Bewohner noch weiter von ihrem ursprünglichen Land verdrängt. Die meisten sind Flüchtlinge aus isr. Gebieten, aber einige Familien blieben - oder kamen zurück.
Sie hatten das Glück, das ihr ursprünglicher Besitz sich über das Tal hinaus erstreckte, das Teil der Grünen Linie ist und das heute Teil der Westbank ist. So bauten sie schliesslich nach 1967 neue Häuser auf dem ihnen verbliebenen Land, mit dem Status als Flüchtling.

Wie dem auch sei, Israel betrachtet einen Teil des ihnen verbliebenen Besitzes als Teil Ost-Jerusalems, dessen Status sich sehr von dem der Westbank unterscheidet. Aber die Bewohner dieses Gebiets haben weiterhin nur Westbank-ID-Karten (die Leute und das Land werden von Israel zunehmend verschieden kategorisiert und so auseinander dividiert).
Israel will eben das Land ohne die Leute, die auf dem Land leben.

In den letzten Jahren haben viele Hausbesitzer in al-Walladje Abrissverfügungen für ihre Häuser erhalten, weil sie diese ohne isr. Erlaubnis gebaut oder repariert hätten. Erlaubnisse welche die Bewohner al-Walladjes niemals bekommen.

Einige Häuser wurden abgerissen und zwei oder drei mal wieder neu aufgebaut.
Manchmal müssen die Dorfbewohner hohe Strafen bezahlen - wenn ihre Häuser auch nur für den Abriss vorgesehen wurden. Wenn sie diese Strafen nicht bezahlen, dann können die Männer der Familie noch viel leichter wie üblich verhaftet werden (nicht das es für die Israelis schwierig wäre, Palästinenser wahllos zu verhaften).
Manchmal müssen die Leute ihre eigenen Häuser abreissen, um die zusäzlichen Kosten zu vermeiden die entstehen, wenn Israel ihre Häuser zerstören lässt. Wenn ihre Häuser abgerissen werden, haben die Leute kein zweites Haus in das sie umziehen können, und müssen oft monatelang in kleinen Zelten leben.

Nun, während die Apartheidsmauer rund um al-Walladje gebaut wird - scheint es, dass die Politik, das Land ohne die seine Leute zu annektieren geändert wurde zu einer Politik des 'lasst uns die Wohngebiete mit seinen Bewohnern belassen' (vielleicht weil eine ethnische Säuberung mittlerweile als zu schwierig erscheint) 'aber nehmt ihnen alles Land rund um ihre Häuser'.

Nach Israels Planung soll das Dorf komplett von der Mauer eingeschlossen werden. Der Zugang soll nur durch ein kleines Tor möglich sein. Das gesamte fruchtbare Ackerland des Dorfes, das seine wirtschaftliche Überlebensbasis bildet, wird illegal von Israel annektiert.

Ein Haus auf der Spitze eines Hügels und ein anderes am Fuss desselben werden völlig von der Mauer eingeschlossen werden, wohl weil es zu schwierig wäre sie in das Labyrinth der Mauer zu integrieren, das den Rest der Gebäude des Dorfes umschliessen wird.

So trafen sich gestern am frühen Morgen wieder eine Gruppe von Aktivisten und Dorfbewohnern, um sich vor die Bagger zu setzen, um sie zu stoppen. Wieder wurden sie von den Soldaten gewaltsam auseinander getrieben und vier Palästinenser verhaftet, darunter ein Freund. Drei der Verhafteten wurden schliesslich gestern Nacht freigelassen, einer ist nach wie vor inhaftiert und von Deportation bedroht, da er einen kanadischen Pass hat.

A.

 (ts)

Ergänzende Links:
Ehemaliger Yale-Professor unter den vier Verhafteten in Al-Walladje (maan)
Video: Verhaftungen in Al-Walladje (youtube)

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