Institut für Palästinakunde
- IPK -

Start / Politik / 2020071300

Israels "Existenzrecht“ verwandelt Unrecht in Recht [13.07.2020]

Hauszerstörung bei Beit Hanina Das am häufigsten genannte Recht in der Nahostdebatte ist das "Existenzrecht" Israels. Dieses "Recht" hat jedoch nichts mit einem Recht zu tun, es ist vielmehr das Gegenteil eines Rechts.

Das "Existenzrecht“ Israels ist eine rechtliche Fiktion, die Israel nicht nur das im Völkerrecht verbriefte Recht auf die Verteidigung seines Territoriums und seiner Bürger zubilligt, sondern auch das Recht auf die uneingeschränkte Fortsetzung seiner kolonialen und rassistischen Herrschaftspraxis in Palästina.
Der einzige Zweck dieses "Rechts" besteht darin, die Vertreibung und Beraubung der Palästinenser durch Israel zu legitimieren und darin sicher zu stellen, dass es nicht für die damit einhergehenden Verbrechen zur Rechenschaft gezogen wird, die es seit mehr als einem halben Jahrhundert an Millionen von Palästinensern begangen hat und fortlaufend begeht.


Fiktives Recht

Israels Existenzrecht ist eine rechtliche Fiktion. Denn das einzige für Staaten relevante Recht, das Völkerrecht, kennt kein "Existenzrecht". Israel hat genau so wenig ein "Existenzrecht" wie Deutschland oder irgendein anderer Staat.

Die Rechte, die Israel aus dem Völkerrecht zustehen, sind dabei völlig unstrittig.

Das Völkerrecht betrifft jedoch bis auf Ausnahmen nur die Beziehungen zwischen Staaten bzw. Staaten und staats­ähnlichen Akteuren. Gegen diese Rechte können die Palästinenser unter Israels Herrschaft nicht verstossen, da sie über keinen Staat verfügen, dank Israel.

Wobei hier unter den Palästinensern werden hier die arabischen, muslimisch-christlichen Bewohner des Landes Palästina verstanden, in dem 1948 mit Gewalt und westlicher Unterstützung ein jüdischer Staat etabliert wurde.

Da die Palästinenser 1948 die Mehrheit der Bevölkerung stellten - so wie auch heute in dem von Israel beherrschten Gebiet -, konnte ein jüdischer Staat nur durch ihre politische Liquidation errichtet und aufrecht erhalten werden, d.h. durch ihre Marginalisierung oder Vertreibung und anschliessende Beraubung.

Daher bestand die erste staatliche Handlung Israels im Jahr 1948 in der Vertreibung von rund 90% der Palästinenser aus dem von ihm eroberten Gebiet, sowie in dem Erlass von Gesetzen, welche ihre Beraubung legalisierte. Während der nächste Expansionsversuch im Jahr 1956 fehlschlug, gelang es Israel im Jahr 1967 auch das Westjordanland sowie Gaza in einem Blitzkrieg zu erobern. Da sich dabei keine Gelegenheit für die Vertreibung der Palästinenser ergab, errichtete Israel dort eine bis heute bestehende Militär­diktatur bzw. ein militärisches Belagerungsregime (über Gaza).

Während die Palästinenser nicht gegen das Völkerrecht - ganz zu Schweigen vom „Existenzrecht" Israels – verstossen können, verstösst Israel seit der Staatsgründung gegen unzählige und unstrittige Rechte der Palästinenser; an erster Stelle gegen ihr im Völkerrecht verbrieftes Recht auf Selbstbestimmung in ihrer eigenen Heimat.

Was Israels Existenz vor allem anderen prägt, ist die Verachtung für das Recht, insbesondere für das der Palästinenser.


Recht auf Unrecht

Von einem Recht würde man erwarten, dass es von Juristen verfasst, beraten und niedergeschrieben, von einem Organ der Legislative verabschiedet oder/und einem der Exekutive ratifiziert wurde. Nichts davon trifft auf das „Existenzrecht“ Israels zu, weil es nichts mit einem Recht zu tun hat.

Da man zur Beantwortung der Frage, was denn Inhalt des „Existenzrechts“ sei, nicht auf eine verbindliche, schriftliche Definition zugreifen kann, besteht die einzige Möglichkeit zur Beantwortung dieser Frage darin, die Anwendung dieses „Rechts“ in der Praxis zu betrachten.

In der Praxis wird das "Existenzrecht“ Israels ausschließlich dazu genutzt, um den Palästinensern alle Rechte abzusprechen; angefangen mit dem Recht auf Selbstbestimmung aus dem Völkerrecht - über die Bürgerrechte aus dem UN-Zivilpakt - bis hin zu den Menschenrechten aus der UN-Menschenrechts-Charta.
Wer diese Rechte für die Palästinenser einfordert, so wie die BDS-Kampagne, dem wird unvermeidlich vorgeworfen gegen das „Existenzrecht“ Israels zu verstoßen.

Demnach besteht der Zweck des „Existenzrechts“ zum einen in der Legalisierung der von Israel seit der Staatsgründung betriebenen Politik, die Palästinenser in ein Volk aus rechtlosen Tagelöhnern, Bettlern und Flüchtlingen zu verwandeln - und zum anderen in dem Schutz Israels vor der Bestrafung für all die Verbrechen, die es an den Palästinensern begangen hat und begeht.
Allein dank dieses „Rechts“ kann Israel Palästinenser seit Jahrzehnten straf- und folgenlos, ggf. zu hundertausenden - misshandeln, verhaften, foltern, ermorden, einzäunen, belagern und bombardieren.

Das "Existenzrecht“ Israels ist demnach schlicht das Recht zur Liquidation der Existenz der Palästinenser in deren eigenen Heimat, das sie aller Rechte beraubt und das von Israel an ihnen begangene Unrecht zu einem Recht erklärt.

Dank Israels fabelhaftem "Existenzrecht“ verwandelt sich Iraels Unrecht in ein Recht und das Recht der Palästinenser in ein Unrecht.

 (ts)

Eine Übersicht über unsere aktuellen Politik-Nachrichten finden Sie hier.

Eine Übersicht der Politik-Nachrichten in unserem Archiv finden Sie hier.

© IPK