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Politik (Archiv)
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2016120900
Hannah Arendt über die Torheit des israelischen Nationalismus (1945) [09.12.2016]
Prof. Dr. Rolf Verleger in "Israels Irrweg" über Hannah Arendt:
Wütend und bitter beklagte die vor den Nazis in die USA geflüchtete politische Denkerin
Hannah Arendt im Herbst 1945, dass die Amerikanische Zionistische Organisation sich 1944
von der bisherigen politischen Linie abkehrte und stattdessen das Programm Ben Gurions
akzeptierte: das Ziel eines jüdischen Staates, der ganz Palästina umfassen solle. Arendt
sah dies, in Vorausschau dessen, was 1947/48 geschah, als Katastrophe für den Zionismus
an; sie schrieb:
„»Dies ist ein Wendepunkt in der Geschichte des Zionismus; denn es besagt, dass das
revisionistische Programm, das so lange scharf zurückgewiesen wurde, nun am Ende siegreich
ist … Dieses Mal sind die Araber in der Resolution einfach nicht erwähnt worden, was ihnen
offensichtlich die Wahl lässt zwischen freiwilliger Auswanderung und Bürgerrechten zweiter
Klasse … Dies ist ein Todesstoß gegen diejenigen jüdischen Parteien in Palästina selbst,
die unermüdlich die Notwendigkeit einer Verständigung zwischen dem arabischen und dem
jüdischen Volk predigten …
Nationalismus ist schlimm genug, wenn er auf nichts
anderes baut als auf die bloße Stärke der Nation. Ein Nationalismus, der notwendigerweise
und zugegebenermaßen von der Stärke einer auswärtigen Nation abhängt, ist gewiss noch
schlimmer …
Die Errichtung eines jüdischen Staats … mag als sehr hübsche Lösung
erscheinen … Auf lange Sicht kann man sich kaum eine Entwicklung vorstellen,
die gefährlicher und abenteuerlicher wäre … Nur Torheit kann eine Politik
vorantreiben, die auf den Schutz einer entfernten Weltmacht vertraut, während sie sich
dem Wohlwollen der Nachbarn entfremdet …
Welches Programm haben Zionisten für die
Lösung des arabisch-jüdischen Konflikts zu bieten? … Wenn Zionisten auf ihrer
sektiererischen Ideologie beharren und in ihrem kurzsichtigen ‚Realismus‘ fortfahren, dann
werden sie auch die kleinen Chancen verspielen, die kleine Völker in dieser unserer nicht
sehr schönen Welt heute noch haben.”
(ts)