Institut für Palästinakunde
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'Sho kman?': Herablassung und Paternalismus kennnzeichnen die Rezension in der 'ZEIT' [05.10.2011]

Diskussionsrunde nach der Aufführung in Bonn Unmittelbar nach der Bonner Aufführung erklärte die Co-Regisseurin Zoe Lafferty in der anschliessenden Diskussion: "Wir wollen nicht, dass Ihr uns Äpfel oder Bananen in den Käfig werft" und "Wir Palästinenser brauchen niemanden, der uns den Kopf tätschelt".
Wünsche, die an der ZEIT-Autorin Evelyn Runge offenbar weitestgehend vorbeigegangen sind.

Ihre Rezension von 'Sho kman?' in der ZEIT ist zwar nicht von Feindseligkeit oder Ablehnung geprägt, dafür aber von intensivem "Tätscheln" - von einer Herablassung und einem Paternalismus, den man in einer Rezension zum Auftritt einer britischen oder französischen Schauspieltruppe sicher nicht wiederfände.

Rundweg demagogisch, nicht nur paternalistisch, ist der Titel - 'Freiheit bringt Tod' - vermutlich eine Anspielung auf die Ermordung von Juliano Mer-Khamis, dem Begründer des 'Freedom Theatre'. Denn was will die Titelredaktion der ZEIT dem Leser damit sagen? Das die Palästinenser die Freiheit nicht verdient hätten?!

In dem sich anschliessenden Text finden sich dann viele Versatzstücke jenes kolonialen Paternalismus wieder, der seit jeher das Bild der 'Europäer' von den 'Wilden' geprägt hat: Die 'Wilden' erscheinen dort als animalische Wesen ("Jeder Millimeter seines Körpers ist voller Energie, die Adern an Kopf und Armen treten hervor"), als naiv und unbeleckt von aller Vernunft, die - im ungefährlichen Fall - wie Kinder dringend einer Vormundschaft bedürfen.

Den Anfang macht Adel Massarwa, einer der Schauspielschüler, der zum Missfallen der Autorin zwei Stunden vor der Aufführung von einer drei Meter hohen Balustrade springt, sich dabei den Fuss verknackst - und dennoch an der Aufführung teilnimmt: ein Wunder möchte man meinen.

Natürlich können die ungestümen Schauspielschüler - so die Autorin - auch nicht auftreten ohne sich "vor jedem Auftritt" (!) ihren "Gott" (!!), Juliano Mer-Khamis, bei 'youtube' anzusehen, den die Autorin vermutlich zu den 'Europäern' rechnet. Dem 22-jährigen Faisal Abu Alhayjaa, gesteht sie später gönnerhaft zu, er sei "aufmerksam, selbstbewusst" geworden "und seit Kurzem Regieassistent des Theaters".

Kindlich sind der Autorin zufolge jedoch nicht nur die Schauspielschüler, sondern auch ihr Regisseur Nabil Al-Raee - der "mit der Hand sein aufgeregt klopfendes Herz" signalisiert. Ob Al-Raee schon einmal in seinem Leben an einer Aufführung in Europa teilgenommen hat? (Man fragt sich auch, ob Zoe Lafferty bei dem Auftritt nicht zugegen war.)

Naiv erscheinen der Autorin zuletzt nicht nur die Schauspieler, sondern auch "viele Zuschauer", die das Stück nur als "Anklage gegen die israelische Besatzung" missverstanden hätten. Sie hätten am Ende einen "frenetischen [!] Schlussapplaus" hingelegt und - besonders frevelhaft - "Palästina-Solidaritätsflaggen" ausgerollt. (Vermutlich waren es palästinensische Flaggen.)

Das es auch anders geht, ohne Herablassung, Benotungen und ohne allen Paternalismus, das zeigt diese einfühlsame Rezension im STERN.

 (ts)

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