Institut für Palästinakunde
- IPK -

Start / Kultur (Archiv 2009) / 2009071101

"Ghassan lebt in unserem Volk" - Interview mit Abdallah Frangi zur Ermordung Ghassan Kanafanis [11.07.2009]

Ghassan Kanafani (6. April 1936 - 8. Juli 1972) 1976 erschien im pdw-Verlag in Bonn ein Sonderheft mit dem Titel "Ghassan Kanafani - Ein Palästinensisches Leben".
Im folgenden geben wir das darin abgedruckte Interview mit Abdallah Frangi - damals Vertreter der PLO im Büro der arabischen Liga in Bonn - wieder:


Herr Frangi, seit dem Frühjahr 1972 unternahmen die Zionisten eine Serie von Anschlagen gegen palästinensische Führer und Einrichtungen im In- und Ausland. Ghassan Kanafani war eines von vielen Opfern. Welchen Zweck verfolgten die Zionisten mit dieser Terrorwelle?
Die Anschläge kamen zu einer Zeit, als die PLO auf internationaler Ebene noch sehr isoliert war, aber die schwere Niederlage des September 1970 überwunden hatte. Generell sollte die PLO geschwächt werden und man wollte der Anerkennung der PLO zuvorkommen. Das Ziel war die Liquidierung der PLO.
In einem Jahr wurden 10 PLO-Vertreter in Europa und anderswo umgebracht. Das war sehr schwer für uns. Ich habe viele von ihnen gekannt. Die andere Stoßrichtung ging gegen die Intellektuellen. Es begann damit, daß Anis Sayegh, der Leiter des Palestine Research Center der PLO, eine Briefbombe bekam, die ihn schwer verletzte. Später wurde noch einmal ein Raketenanschlag auf das Center verübt, dann gelang es ihnen, Ghassan Kanafani, einen unserer berühmtesten Schriftsteller, umzubringen; unter den drei PLO-Führern, die im April 1973 in Beirut umgebracht wurden, war Kamal Adwan, auch Schriftsteller.

Kann man sagen, daß palästinensische Intellektuelle gezielt angegriffen wurden?
Ja, das war ganz gezielt. Man wollte diese Schriftsteller und Künstler ausschalten, weil sie den nationalen Charakter der Palästinenser, der durch die Revolution gewachsen war, zum Ausdruck brachten. Die Palästinenser sollten als arabische Flüchtlinge betrachtet werden, und nun sah man, daß die Arbeit palästinensi­scher Einrichtungen wie das Research Center oder auch das Planning Center der PLO und palästinensische Intellektuelle, wie Kanafani, immer mehr Achtung und Erfolg auf arabischer wie internationaler Ebene erzielten. Davor hatten die Zionisten Angst.

Und deshalb wollten sie die palästinensischen Vertreter einschüchtern?
Ja, aber die PLO-Vertreter haben sich nicht zurückgezogen, auch wenn sie - wie Mahmud Hamchari, der PLO-Vertreter in Paris, wußten, daß ein Anschlag drohte. Die Intellektuellen sind nicht untergetaucht; wir haben viele unserer hervorragensten Kräfte dadurch verloren, aber durch ihren Mut und ihre Beharrlichkeit konnten wir die zionistischen Pläne durchkreuzen. Der Weltöffentlichkeit wurde auch deutlich, wie der Zionismus arbeitet - und man wurde gerade durch unsere Märtyrer auf uns aufmerksam. Natürlich fehlen uns diese Menschen. Aber sehen Sie, nicht nur bei den Palästinensern, auch in vielen arabischen Schulen wird Kanafanis Literatur gelesen. Unsere palästinensischen Kinder lesen Ghassans Geschichten, die Schüler studieren seine Literatur. In den Schulen der PLO und in den Schulen in den Lagern unterrichten die Lehrer über ihn und lesen seine Geschichten. Durch seine Literatur lebt Ghassan im palästinensischen Volk.

 (ts)

Eine Übersicht über unsere aktuellen Kultur-Nachrichten finden Sie hier.

Eine Übersicht über unser Kultur-Nachrichten-Archiv finden Sie hier.

© IPK