Institut für Palästinakunde
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Weitere Reaktionen auf die Zensur der nakba-Ausstellung in Düsseldorf [02.04.2011]

Reaktionen auf die Zensur der nakba-Ausstellung in Düsseldorf Ambei zwei weitere Stellungnahmen zu der skandalösen Schliessung der Düsseldorfer Ausstellung - Die Nakba - Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948.


An den Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf,
Herrn Dirk Elbers
und an den Leiter des Dezernats,
Herrn Burkhard Hintzsche

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrter Herr Hintzsch,

ich nehme Bezug auf die Schließung der Naqba-Ausstellung in den Räumen der Begegnungsstätte "Die Brücke". Ich gehe davon aus, dass die Schließung in guter Absicht veranlasst wurde, um die Gefühle israel-loyaler jüdischer Mitbürger nicht zu verletzen. Ich vermute, dass Ihnen unbekannt ist, dass Friedens-und Menschenrechtsgruppen in Israel die Auseinandersetzung mit der Naqba, die geschichtliche Aufarbeitung des palästinensischen Leids fordern. Israelische Organisationen wie "Zochrot" (zu deutsch "Erinnern") wissen, wie wichtig das Hinsehen auf das Leid der Palästinenser für einen wirklichen Frieden ist.

Die israelische Regierung hat dieses Einsehen nicht. Erst vorige Woche hat sie auf Antrag eines Mitglieds der ultra-rechten Partei "Israel Bejtenu" ein Gesetz verabschiedet, das Erinnern der Naqba unter Strafe stellt (dabei lehrt die jüdische religiöse Tradition, "in der Erinnerung liegt der Schlüssel zur Erlösung"). Mit dem Verbot der Naqba-Ausstellung helfen Sie den Ultra-Rechten in Israel, Ungleichheit und Diskriminierung zu fördern und gegen jüdisch-traditionelle Kernsätze zu verstoßen. Jüdische Tradition steht im Einklang mit den Menschenrechten und fordert die Solidarität mit dem Leidenden.

Ich hatte vor einigen Jahren Gelegenheit, die Naqba-Ausstellung in Köln zu besuchen. Ich konnte in ihr keine Elemente entdecken, die eine Schließung der Ausstellung rechtfertigen könnten. Gewiss ist es schmerzvoll für jüdische Bürger, sich mit ihr konfrontiert zu sehen; schmerzvoll auch auf dem Hintergrund des eigenen erfahrenen unmesslichen Leids. Wir verarbeiten die Geschichte aber nicht, indem wir Bilder ignorieren. Die Bilder der Ausstellung sind wichtig sowohl für die Erhaltung palästinensischer Identität (mit tiefen historischen Wurzeln im Land) als auch für die Aufarbeitung der Geschichte auf jüdisch-israelischer Seite, um nicht zuletzt mit der gewonnenen Empathie den entscheidenden Schritt in Richtung Frieden vorwärts zu gehen.

Ich bitte Sie, auf die folgenden Worte Eitan Bronsteins (Gründer und Sprecher von "Zochrot", Israel) zu hören und sich um eine Wiederaufnahme der Ausstellung zu bemühen. Vielleicht wollen Sie zusätzlich einen Dialog zwischen Befürwortern, Zweiflern und Gegnern der Ausstellung fördern.

Mit freundlichen Friedensgrüßen,
Edith Lutz,
Mitglied von "Jewish Voice for Peace" (www.jvp.org)

"Without understanding the Naqba, you cannot of course understand the scale or the importance of this key issue of Palestinian refugees. If we don't address the Naqba, we cannot really address properly our future. Any solution for the future which is not based on addressing this issue of the Palestinian refugees, it will be useless" (Eitan Bronstein)

Abs.:
Dr. Edith Lutz
Rinner Str. 16
D53925 Kall




Sehr geehrter Herr Hintzsche, sehr geehrter Herr Elbers,

von Freunden aus Berlin erfuhr ich von Ihrer Entscheidung, die Ausstellung zur Flucht und Vertreibung der Palästinenser zu unterbinden.. Eine solche Entscheidung ist in keiner Weise gerechtfertigt und mit unserem demokratischen Grundverständnis nicht vereinbar.
Bei der Ausstellung- ich war in Oldenburg Mitaussteller- handelt es sich um die Darstellung historischer Fakten, die von keinem seriösen Historiker in Frage gestellt werden. Ich verweise z.B. auf den israelischen Historiker Tom Segev, der drei grundlegende Werke zur Geschichte Israel schrieb ("Es war einmal ein Palästina", "Die ersten Israelis", "1967 - Israels zweite Geburt")
Zum Bestreben, die Araber aus Palästina zu verdrängen, schreibt er z.B.:

"Die Hoffnung, die Araber aus Palästina in andere Staaten transferieren zu können, hatte die zionistische Bewegung von Anfang an begleitet. Während der britischen Herrschaft prüfte die Führungsspitze der Zionisten verschiedene Möglichkeiten, die Araber durch Bezahlung zur Auswanderung in ferne Länder zu bewegen. Auch nach der Flucht und Vertreibung der Araber während des Unabhängigkeitskriegs wurden diese Pläne weiterverfolgt. Israel unternahm mehrere Versuche, den israelischen Arabern die Emigration nach Lateinamerika und anderswohin nahezulegen." (aus "1967" S. 636)

Seit rund 17 Jahren hat Israel eine rechte Regierung (Avi Priemor-ehemaliger israelischer Botschafter in der Bundesrepublik) und die zur Zeit amtierende kann man, was verschiedene Minister und den Regierungschef selbst betrifft, von einer rechtsnationalen bis rechtsradikalen Regierung sprechen.

Vor diesem Hintergrund ist mir unverständlich, warum man sich in Deutschland berechtigterweise gegen Rechte zur Wehr setzt, aber sobald es um die rechte, friedens-feindliche Politik der israelischen Regierung geht, meint diese auch noch verteidigen zu müssen.

Ihre Verhinderung der Nakba-Ausstellung erfolgt fast zeitgleich mit der Entscheidung der israelischen Regierung (auf Antrag der ultranationalistische Partei "Israel Beiteinu") die zu bestrafen, die am israelischen Unabhängikeitstag an das Schicksal der Palästinenser (Flucht und Vertreibung) erinnern.

Niemand in der Bundesrepublik sollte in falsch verstandener Zolidarität mit Israel meinen, er müsse ultranationalistische Positionen vertreten und zum Beispiel solche Entscheidungen treffen, wie Sie es getan haben.

Am 04.Mai 2002 erhielt Uri Avnery (Israel) den Carl-von-Ossietzky-Preis der Stadt Oldenburg.

Er sagte damals unter anderem:

Keiner kann und darf vergessen, was in Deutschland geschehen ist. Was in Deutschland vor 60 Jahren passiert ist, hat einen großen Einfluss auf das gehabt, was heute in unserem Landepassiert. Das darf nicht dazu fuhren, dass Deutsche sich jeder moralischen Kritik gegenüber Israel enthalten. Ganz im Gegenteil - das wäre genauso unmoralisch wie antisemitische Hetze …. Seit mehr als 50 Jahren setze ich mich für eine Friedenslösung ein, die das Recht beider

Seiten auf Freiheit, Selbstständigkeit und Gerechtigkeit berücksichtigt. Natürlich besteht keine Symmetrie zwischen den beiden Seiten - wir sind die Besetzer, sie sind die Besetzten, wir haben eine gewaltige Übermacht, sie haben die Hartnäckigkeit eines bedrohten Volkes.

Aber so viel Blut auch fließt, so viel abscheuliche Dinge auch passieren, …, am Ende werden unsere beiden Völker in diesem kleinen Lande nebeneinander und zusammen leben müssen, weil jede andere Lösung zu schrecklich ist, um auch nur an sie zu denken..

Amos Elon (israelischer Schriftsteller und Journalist) sagte zum Schicksal der Palästinenser:

Wir haben die moralische Verpflichtung, etwas zu tun, denn die israelische Unabhängigkeit wurde auf Kosten dieser Menschen errungen, und sie haben mit ihrem Körper, ihrem Besitz und ihrer Zukunft für die Pogrome in der Ukraine und die Gaskammern der Nazis gezahlt".

Das schrieb er eine Woche nach dem Sechstagekrieg 1967, als viele Israelis in die eroberten Palästinensergebiete kamen und die Lage der Flüchtlinge und Vertriebenen aus dem Krieg 1948 kennenlernten. Die eine Hälfte war aus Furcht vor dem Krieg geflohen, die andere Hälfte aber gewaltsam deportiert worden.

Sehr geehrte Herren, leider kenne ich die Gründe Ihrer Entscheidung nicht, würde aber gerne erfahren, was oder wer Sie dazu gebracht hat.

Mit freudlichen Grüßen

M. R.

 (ts)

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