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Auskunftsersuchen zur Rechtsgrundlage des Landtags-Beschlusses „In Nordrhein-Westfalen ist kein Platz für die antisemitische BDS-Bewegung“ (Drucksache 17/3577) [16.12.2018]
Sehr geehrter Frau/Herr Fraktionssprecherin/er N.N.,
hiermit bitten wir und die einhundertneun Unterzeichner und Unterzeichnerinnen dieses Briefes - darunter sechsundvierzig Bürger und Bürgerinnen des Landes NRW - Sie darum, uns einige Fragen zur Rechtsgrundlage des im Betreff angegebenen Antrags vom 11. September 2018 zu beantworten.
Zufolge der Aufzeichnungen haben Sie am 20. September 2018 im Plenum des NRW-Landtags als Sprecher für Ihre Fraktion erklärt, dass die wirkmächtigste Menschen- und Bürgerrechtskampagne der palästinensischen Zivilgesellschaft, die BDS-Kampagne, antisemitisch sei, weil sie gegen das "Existenzrecht Israels" verstoße. Das genügte Ihnen und Ihrer Fraktion, um den Beschluss zu fassen, die in der Verfassung verbrieften Rechte der freien Meinungsäußerung, Information und Versammlung in den vom Land NRW kontrollierten Institutionen und Räumlichkeiten für die BDS-Kampagne außer Kraft zu setzen und die NRW-Kommunen aufzufordern sich dem anzuschließen.
Die Aufhebung dieser Grundrechte, die zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer Demokratie gehören, beschneidet nicht nur die Rechte der Vertreter der BDS-Kampagne, sondern auch unsere Rechte als Bürger/innen des Landes NRW, sei es als Einladende oder als Interessenten/innen an Veranstaltungen mit Vertretern der BDS-Kampagne.
Als Bürger/innen eines Rechtsstaats gehen wir davon aus, dass sich Beschlüsse des von Ihnen und Ihrer Fraktion repräsentierten Verfassungsorgans auf geltendes Recht stützen. Daher bitten wir Sie hiermit, - uns - aber auch Ihren Abgeordneten - Auskunft über die Quelle und den Inhalt des "Existenzrecht Israels" zu geben.
Senden Sie uns dazu bitte eine Kopie mit dem Text dieses Rechts zu (als PDF oder per URL) und klären Sie uns bitte auf, in welchem Gesetzbuch das „Existenzrecht Israels“ geschrieben steht, von welcher Körperschaft es ratifiziert wurde und was es in NRW zu bindendem Recht macht.
Nennen Sie in Ihrer Antwort bitte die Paragraphen, die Israel seit mehr als einem halben Jahrhundert dazu berechtigen, Millionen von Palästinensern in seiner Gewalt die elementarsten Menschen- und Bürgerrechte sowie die aus dem Völkerrecht resultierenden Rechte in Teilen oder im Ganzen zu verweigern.
Nennen Sie bitte die Paragraphen, gegen welche die BDS-Kampagne verstößt. Jene, auch von jüdischen Organisationen (auch in Deutschland) unterstützte, gewaltlose Kampagne, die sich ausschließlich auf geltendes Völkerrecht und internationales Recht stützt.
Auf Basis dieses Rechts stehen natürlich auch Israel Rechte zu, qua seiner Existenz. Diese Existenz wird von niemandem in Frage gestellt.
Für die BDS-Kampagne liegt das Problem nicht in der Existenz Israels sondern darin, dass es den Palästinensern genau die Rechte abspricht, die aus dem Völkerrecht und dem internationalen Recht resultieren. Deshalb verlangt die Kampagne, dass all jene die an der Unterdrückung, Entrechtung, Vertreibung, und Beraubung der Palästinenser beteiligt sind so lange einem Konsum-Boykott, einem Investitions-Boykott und staatlichen Sanktionen unterworfen werden, bis die Rechte der Palästinenser wieder vollständig hergestellt sind.
Zuletzt nennen Sie uns bitte auch die Paragraphen, die das Land NRW dazu berechtigen uns - sowie den Unterzeichnern, die Bürger des Landes NRW sind - das in der Verfassung verbriefte Recht der freien Meinungsäußerung, Information und Versammlung in den Räumen des Landes NRW zu verweigern.
Wir würden es begrüßen, wenn Sie unsere Fragen binnen drei Wochen beantworten könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Siemon
Stv. Vorsitzender
Institut für Palästinakunde e.V., Bonn
53175 Weißenburgstrasse 11
www.ipk-bonn.de
Unterzeichner (Angaben zur Organisation bedeuten Mitgliedschaft)
Anlagen
- Zu Europa sagen wir: Vermischt Kritik an Israel nicht mit Antisemitismus
Erklärung von siebenundsechzig prominenten israelischen Akademikern und Kulturschaffenden (2018)
- BDS-FAQ: "Understanding BDS" / "Responding to common arguments against BDS"
Antworten auf zweiundzwanzig häufig gestellte Fragen an die BDS-Kampagne (2018)
- Die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten
Bericht des UN-Sonderberichterstatters S. Michael Lynk über die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen GebietenNRW-Existenzrecht-Anschhreiben.pdf [deutsche Übersetzung] (2017)
- Israeli Practices towards the Palestinian People and the Question of Apartheid
Bericht des "Economic and Social Commission for Western Asia (ESCWA)" von Richard Falk und Virginia Tilley (2017)
Ergänzende Links:
Schreiben an den NRW-Landtag gegen die verfassungswidrige Kriminalisierung der BDS-Kampagne (ipk)
Leserbrief an die 'Welt am Sonntag' (ipk)