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An die MdL's des Thüringer Landtags: "Ihre Stellungnahme zu den Protest-Schreiben gegen den 'Antisemitismus'-Antrag" [18.05.2018]
Als die Europäer
entschieden die „jüdische Frage“ durch die Reconquista
Palästinas zu lösen, schufen sie damit den Palästinakonflikt.
Die Palästinenser hatten keine Chance gegen
die Eroberer, die von den Europäern von Anfang
an ökonomisch, politisch und militärisch
unterstützt wurden. Ein Teil der Unterstützung
besteht heute im "Kampf gegen jeden
Antisemitismus", an dem sich
besonders Deutsche mit großem Enthusiasmus
beteiligen. Denn die Kriminalisierung des
Widerstands und der Solidarität mit den
Palästinensern sowie deren Verwandlung vom
Opfer zum Täter ermöglicht es den Betreffenden
sich aus der historischen Verantwortung für
den Antisemitismus freizukaufen
und sich völlig mühelos in
einen Helden des Kampfs gegen
den Nazismus zu verwandeln. …
… Sie müssen sich
entscheiden, wen Sie für kompetenter
für die Beurteilung des „Antisemitismus“
der palästinensischen Bürger- und
Menschenrechtskampagne (BDS-Kampagne)
halten: Ihre Kollegin, die für ihren Berg
aus Anschuldigungen keinen einzigen
korrekten und überzeugenden Beleg anzugeben
vermag, oder die rund 40 Mitglieder der
'Jüdischen Stimme', Juden und Jüdinnen,
mehrheitlich Akademiker aus Israel, die sich
mit guten Gründen für die BDS-Kampagne
aussprechen. Sie entscheiden, ob Sie sich
mit dem Antrag zum Handlanger Israels
verfassungswidriger Staatsraison
machen und die deutsche Verfassung
amputieren, um Israels regierende, extreme
Rechte vor Kritik sowie legalem Protest und
Widerstand zu schützen – oder ob Sie Ihre
Pflicht erfüllen und die deutsche
Staatsraison verteidigen, indem
Sie diesen Anschlag auf unsere Verfassung
verhindern.
Sehr geehrte Frau Landtagsabgeordnete N.N.,
in den letzten Wochen haben Sie mehrere Briefe erhalten - darunter auch einen vom 'Institut für Palästinakunde e.V., Bonn' (IPK e.V.) - in denen Sie darum gebeten wurden, den Antrag "Antisemitismus in Thüringen konsequent bekämpfen" abzulehnen oder auf dessen Änderung zu drängen.
Denn, hinter der Fassade der
Antisemitismus-Bekämpfung des Antrags verbirgt sich ein
wahrer Präsent-Korb für die extreme
Rechte in Thüringen und in Israel:
Ein Geschenk für die AfD - jene Partei,
die niemals müde wird zu wiederholen, dass der Islam/die
Migranten unser Unglück seien - die sich über den
Angriff des Antrags auf den Islam (Zitat: „muslimischer
Antisemitismus“) mit freundlicher Unterstützung Ihrer
Fraktion sicher diebisch freuen wird.
Mehrere Geschenke für Israels regierende
extreme Rechte. Der erste Grund zur Freude
ist das Bekenntnis des Antrags zum „demokratischen und
jüdischen“ Staat Israel, was die Vertreibung
der circa 5.8 Millionen Palästinensern
zur Voraussetzung hätte, die aktuell unter israelischer
Herrschaft stehen, denen Israel schon jetzt zu drei
Vierteln die Menschen- und Bürgerrechte abspricht.
Am meisten werden sich die Herrscher in Jerusalem jedoch
über das Quasi-Verbot der als BDS-Kampagne
bekannten palästinensischen Bürger- und
Menschenrechtskampagne freuen. Schließlich haben sie - israelischen
Medien zufolge - seit dem Jahr 2015 über
einhundert Millionen Dollar in die
Bekämpfung der BDS-Kampagne investiert. Ein Investment,
das bereits in den Städten Frankfurt
und München
sowie unlängst im Bundestag
Früchte getragen hat. Auf der Landesebene soll offenbar
Thüringen die Vorreiterrolle annehmen.
Da wir davon ausgehen, dass die Mehrheit von Ihnen über
keine Nahost-Expertise verfügt, Sie weder
Palästina bereist noch zuvor von der BDS-Kampagne
gehört haben, hätten wir uns sehr über eine Reaktion
von Ihnen gefreut. Bedauerlicherweise hielt es nach
unserem Wissen jedoch nur eine Ihrer Kolleginnen für
angemessen, auf die Proteste zu reagieren: Frau Diana
Lehmann (SPD) sandte der 'Jüdische Stimme
für gerechten Frieden in Nahost e.V' eine Stellungnahme
zu, die dazu bereits eine Antwort
veröffentlicht hat.
Inhaltlich hat die Stellungnahme Ihrer Kollegin unsere
negativen Erwartungen aus dem Antrag
bestätigt.
Da wir davon ausgehen, dass Frau Lehmann sich für eine
Nahost-Expertin hält - und ihre „Argumente“ von Ihnen
ernst genommen werden, haben wir uns dazu entschlossen,
ihre Stellungnahme als ein 'pars pro toto'
zu betrachten, d.h. ihre Stellungnahme als die Ihrige zu
betrachten; das ohne Absprache mit der 'Jüdischen
Stimme', deren Antwort
Sie dennoch vorher gelesen haben sollten.
Replik zur Stellungnahme der Frau
Landtagsabgeordneten Lehmann an die 'Jüdische
Stimme'
Der israelische Staat begeht seit Jahrzehnten routinemäßig
Kriegsverbrechen an Palästinensern. In den
letzten Wochen hat er in in Gaza den Protest vieler
tausend unbewaffneter Palästinenser gegen ihre seit zehn
Jahren andauernde illegale Belagerung kaltblütig mit
Scharfschützen zusammengeschossen, ohne das dies
irgendeine Spur in den unzähligen offiziellen
Glückwünschen zu Israels 70'en Geburtstag hinterlassen
hätte - oder etwa in dem Antrag.
Wenn es irgendein anderer Staat wagte
seine jüdischen Bürger in ein Äquivalent
von Gaza einzusperren, es zu einer
Exklave zu erklären, sie zu belagern und die Proteste
der darin gefangenen Juden zusammen zu schießen – so
würde das für diesen Staat ganz sicher nicht nur
Kritik zur Folge haben, sondern eine Flugverbotszone
und einen von der UN mandatierten Militäreinsatz.
In Deutschland wird jedoch allein schon die Kritik
an diesem - oder einem der vielen anderen - israelischen
Verbrechen an den Palästinensern mithilfe von Antisemitismus-Anschuldigungen
zugeschüttet und kriminalisiert,
die man sowohl im Antrag als auch in der Stellungnahme
wiederfinden kann.
Der Antrag tut vielmehr das genaue Gegenteil. Er hat es sich zum Ziel gesetzt, alle Linien zwischen Juden und jüdischem Staat mit dem Vorsatz zu verwischen, Israel vollständig unter den Schutz der Antisemitismus-Bekämpfung stellen, um dessen Opfer, die Palästinenser, als Antisemiten stigmatisieren zu können. Denn nur so kann die mörderische Unterdrückung der Palästinenser - so wie in Gaza - als Antisemitismus-Bekämpfung ausgegeben – und ihre Ausdehnung auf Thüringen gerechtfertigt werden.
Die Behauptung, dass die Boykott-Forderung der
BDS-Kampagne "in vielerlei Hinsicht dem Aufruf jüdische
Geschäfte zu boykottieren" gleiche, ist eine Frechheit.
Es ist unübersehbar - dass ein Boykott
gegen einen Staat, der dem Völkerrecht, bzw. den
Menschen- und Bürgerrechten der Palästinenser den Krieg
erklärt hat - etwas vollkommen anderes ist, als der
Boykott wehrloser, unschuldiger jüdischer Bürger durch
einen Staat, der den Menschen- und Bürgerrechten seiner
jüdischen Bürger den Krieg erklärt hatte, um ihn später
zu einem unfasslichen Grauen zu steigern.
Dieser Vergleich ist ein Betrug. Ein Betrug, der auf
seine Kronzeugen - die vom NS-Regime
beraubten, vertriebenen oder ermordeten Juden
zurückfällt. Er verharmlost nicht nur die Verbrechen des
NS-Regimes – wie die jüdische Stimme anmerkt – sondern
er missbraucht und entwürdigt die
Opfer auch noch posthum.
Der Antrag behauptet in den Punkten II.6., II.7. und
II.8. (ohne irgendeinen ernst zunehmenden Beweis), dass
die BDS-Kampage antisemitisch sei und fordert, dass das
Land Thüringen alles in seiner Macht stehende tun solle,
um die Kampagne zu behindern. In Punkt III. wird
gefordert, dass das Land die Kommunen dazu auffordern
solle, diese Politik auch im kommunalen Raum
durchzusetzen.
Da die BDS-Kampagne die zentrale internationale Kampagne
für die Befreiung der Palästinenser vom Joch
israelischer Zwangsherrschaft ist, läuft die Zensur der
BDS-Kampagne auf eine Zensur jedweder Veranstaltung
mit Palästina-Bezug in öffentlichen Räumen
Thüringens hinaus.
Wir sind der Ansicht, dass diese Bekämpfung
der Informations- und Versammlungsfreiheit hinsichtlich
der Aufklärung über die Verhältnisse in Palästina zu den
Hauptzielen des Antrags gehört. Diese
steht hochwahrscheinlich mit der Tatsache im
Zusammenhang, dass der israelische Staat
2015 damit begonnen hat, die BDS-Kampagne
ganz offiziell mit Steuermitteln
zu bekämpfen, weltweit.
Wir vermuten überdies, dass die Initiatoren des Antrags
genaue Kenntnis von ähnlichen Versuchen zur
Einschränkung unserer verfassungsmässigen Rechte in den
Kommunen Frankfurt
und München
haben. Dort sind ganz ähnliche Anträge zu Beschlüssen
herangediehen; mit der Folge, dass z.B. die Jüdisch-Palästinensische
Dialoggruppe in München keine Räume der Stadt oder
Räume von städtisch subventionierten Raumanbietern mehr
anmieten kann.
Die Rechte der Palästinenser, inklusive dem auf
Widerstand, sind nicht von der ethnischen oder der
Religionszugehörigkeit ihrer Unterdrücker abhängig: Das
internationale Recht, sowie die Bürger- und
Menschenrechte gelten für Juden ebenso wie
für Palästinenser – sie können niemals
antisemitisch sein.
Und der Widerstand der Palästinenser – inklusive der
BDS-Kampagne – ist auch keine Funktion der ethnischen
oder der Religionszugehörigkeit ihrer Unterdrücker. Die
BDS-Kampagne etwa distanziert sich nicht nur explizit
vom Antisemitismus, sie ruft Juden vielmehr explizit
dazu auf, sich ihr anzuschliessen, was offenbar auch
geschieht.
Der Widerstand der Palästinenser könnte
nur dann als antisemitisch bezeichnet
werden, wenn er gegenüber einem nicht-jüdischen
Unterdrücker anders aussähe. Es gibt es aber keinen
Anhaltspunkt dafür, dass sich die
Palästinenser gegenüber hinduistischen oder
buddhistischen Unterdrückern anders verhalten
würden.
Der Konflikt zwischen
Palästinensern und Juden ist demnach nicht
das Produkt von palästinensischem
Antisemitismus, sondern von „jüdischem“
Kolonialismus. Wobei nicht in
Abrede gestellt werden soll, dass das Motiv für diesen
Kolonialismus in der Verfolgung der Juden in Europa und
Deutschland lag. Der vom Antrag
und der Stellungsnahme beschworene Mythos
vom Antisemitismus der Palästinenser
dient nur zur Rechtfertigung westlicher
Doppelstandards, um die Untätigkeit des
Westens trotz andauernder israelischer
Kriegsverbrechen zu rechtfertigen.
Das heißt nicht, dass es nach 50 Jahren barbarischer
Besatzung durch einen Staat, der sich "jüdisch" nennt,
keinen Antisemitismus unter den Palästinensern gäbe.
Aber dieser Antisemitismus ist nicht die Ursache
des Nahostkonflikts sondern das Resultat
des Versuchs, die Palästinenser aus ihrem Land zu
vertreiben.
Der Rest der Stellungnahme besteht aus einer Auflistung
von Behauptungen und Anschuldigungen, die den
Antisemitismus der BDS-Kampagne beweisen sollen.
Soweit dazu überhaupt Belege angegeben werden, sind
diese entweder falsch oder irrelevant.
Die Verfasserin meint dazu offenbar Belege
für ihre Anschuldigung durch die permanente Wiederholung
der Anschuldigung ersetzen zu können.
Auch der Antisemitismus erfährt bei ihr
eine Neudefinition: Antisemitisch scheint
demnach alles zu sein, was der israelischen
Staatsraison im Wege steht. Einer Raison die
es gebietet, sich der circa 5.8 Millionen Palästinenser
unter Israels Herrschaft zu entledigen, damit der Staat
wahrheitsgemäß behaupten kann „jüdisch und demokratisch“
zu sein.
In dem Text findet sich so
Angesichts dieses scheinbaren Gebirges aus Antisemitismus fragt man sich, wie das von der 'Jüdische Stimme' und andere jüdischen Organisation übersehen werden konnte. Weiß Frau Lehmann Dinge, die wir nicht wissen – oder blufft Sie nur?
Vollkommen unzutreffend ist, dass die BDS-Kampagne
Vollkommen korrekt aber kein Beweis von Antisemitismus ist, dass die BDS-Kampagne
Alles in allem basieren der Antrag und die Stellungnahme
auf Ignoranz, Verleumdungen und Drohungen
- um Israel in Thüringen – unter dem Deckmantel einer schrankenlosen
Antisemitismus-Definition - den Rücken bei
der Vertreibung, Entrechtung und Beraubung der
Palästinenser freizuhalten; sowie dazu jeden zu
kriminalisieren – insbesondere Migranten und
Muslime - der dem unter der Berufung auf die
Prinzipien unserer Verfassung entgegen tritt, sei es
durch Demonstrationen, Kundgebungen oder
Informationsveranstaltungen.
Sie müssen sich entscheiden, wen Sie für kompetenter für die Beurteilung des „Antisemitismus“ der palästinensischen Bürger- und Menschenrechtskampagne (BDS-Kampagne) halten: Ihre Kollegin, die für ihren Berg aus Anschuldigungen keinen einzigen korrekten und überzeugenden Beleg anzugeben vermag, oder die rund 40 Mitglieder der 'Jüdischen Stimme', Juden und Jüdinnen, mehrheitlich Akademiker aus Israel, die sich mit guten Gründen für die BDS-Kampagne aussprechen. Sie entscheiden, ob Sie sich mit dem Antrag zum Handlanger Israels verfassungswidriger Staatsraison machen und die deutsche Verfassung amputieren, um Israels regierende, extreme Rechte vor Kritik sowie legalem Protest und Widerstand zu schützen – oder ob Sie Ihre Pflicht erfüllen und die deutsche Staatsraison verteidigen, indem Sie diesen Anschlag auf unsere Verfassung verhindern.
Sollten Sie weiterer Beratung zur
BDS-Kampagne oder zum Nahost-Konflikt bedürfen, dann
müssen Sie sich dazu zwingend auch von
Organisationen oder Personen beraten lassen, deren
bedeutendste Qualifikation nicht darin
besteht, alle israelischen Verbrechen an den
Palästinensern der letzten 50 Jahre entweder
vertuscht, gerechtfertigt oder verteidigt
zu haben. Dazu wenden Sie sich am besten einfach an die
Absender der Ihnen vorliegenden Protestschreiben.
Wir würden uns freuen, wenn Sie Ihren Pflichten als
Abgeordnete und Garanten der Inhalte und Werte unserer
Verfassung nachkämen – und den Antrag in der aktuellen
Form zurückwiesen, der so nicht dem Kampf gegen den
Antisemitismus dient, sondern der Bekämpfung der Bürger-
und Menschenrechte der mit den Palästinensern
solidarischen Zivilgesellschaft in Deutschland sowie der
Palästinenser unter Israels Gewaltherrschaft.
Ergänzende Links:
Antisemitismus in Thüringen konsequent bekämpfen