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2007100701
Gaza als Treffpunkt der Kulturen [7.10.2007]
Heute schloss die Ausstellung „Gaza an der Kreuzung der
Kulturen” im Museum für Kunst und Geschichte ihre
Tore. Vom 13. bis 15. Juli hatte das IPK eine Exkursion zu der
Ausstellung veranstaltet. In einem kurzen Bericht schildern A. Vetter
und W. Guting vom Vorstand des IPK ihre Impressionen:
Wenn man heute Gaza hört, so bedeutet das nichts Gutes. Bilder
von Gewalt, Not und Repression drängen sich auf. Dass man Gaza
mit einer reichen Kultur wie der ägyptischen oder selbst der
irakischen verbindet, liegt fern. Eine Ausstellung im Genfer Museum
für Kunst und Geschichte, die den treffenden Titel
„Gaza im Schnittpunkt der Zivilisationen”
trägt, ändert dies nachhaltig.
Gaza ist heute ein relativ kleiner, ca. 40 km langer und fünf
bis zehn Kilometer breiter Streifen am Mittelmeer. In der Antike
umfasste das Gebiet mindestens die fünffache Fläche
der heutigen. Trotz der zum Meer hin gelegenen Sanddünen, die
den Eindruck einer trockenen Region erwecken, ist es eine ausgesprochen
fruchtbare Region mit Gärten und ausreichender
Wasserversorgung. Dies führte zu einer frühen und
dichten Besiedlung. Der Gaza-Streifen ist heute eines der am dichtesten
besiedelten Gebiete der Region.
Beim Betreten des ersten der drei Räume der Genfer Ausstellung
fallen dem Besucher die zentral in einer Reihe platzierten Amphoren
auf, die, chronologisch angeordnet, die verschiedenen Phasen der
Geschichte Gazas in der Antike repräsentieren. Die besonders
platzierte erste Amphore fällt allerdings aus der
chronologischen Reihenfolge heraus. Dies hat seinen guten Grund, denn
diese Amphore wurde in Genf bei der Restaurierung einer Kirche gefunden
und sie stammt ursprünglich aus Gaza. Ein Beweis
dafür, welche Bedeutung die Stadt in der Antike für
den Handel hatte. In Gaza, das auch als das verlängerte Ende
der Weihrauchstraße angesehen werden kann, wurden neben
Öl, auch Produkte wie Weihrauch, Gewürze und Opium
verhandelt, die aus dem Jemen hierhin gelangten.
Schon die Ägypter haben vor 5000 Jahren die Stadt unter ihren
Einfluss gebracht. Gaza war für sie nicht nur als Hafen von
Interesse, sondern diente ihnen auch als vorgeschobene Bastion gegen
die Hethiter. Gaza war in der Antike lange Zeit die bedeutendste
Hafenstadt der Region und verlor diesen Rang erst mit der Errichtung Alexandrias.
Auch in persischer und hellenistischer Zeit behauptete die Stadt ihre
Position. Plutarch nannte Gaza die wichtigste Verbindung zwischen der
Arabischen Halbinsel und dem Mittelmeer. Gaza war der Schnittpunkt
zwischen Asien, Afrika und dem Mittelmeer. Die Handelsbeziehungen
gingen in beide Richtungen, war doch Gaza auch ein wichtiger
Umschlagplatz für griechische Keramik. Nicht
unerwähnt bleiben darf aber auch Gazas wesentliche Rolle als
Markt für den antiken Sklavenhandel.
In römischer und byzantinischer Zeit erlangte Gaza neben
seiner Rolle als wichtiges Handelszentrum auch einen Ruf als Sitz der
seinerzeit bedeutendsten Philosophen- und Grammatikerschulen.
637 eroberten moslemische Truppen die Stadt. Aus dieser Epoche
präsentiert die Ausstellung als Höhepunkt ein
großes Bodenmosaik aus Rafah, das
„exotische” Motive wie eine Giraffe oder einen
Elefanten zeigen. Am Ende des dritten Raumes erinnert eine Stele im
islamischen Dekor, die als Grabstein für einen gefallenen
britischen Soldaten dient, an die jüngere Vergangenheit.
Die Beschaffung der Exponate ist im Wesentlichen der Initiative des
ehemals in Gaza ansässigen Bauunternehmers Jawdat Khoudary zu
verdanken. Khoudary ließ sich nicht nur von seinen Arbeitern
über archäologische Funde informieren, sondern er
bezahlte auch ansässige Bauern, wenn diese ihm einen
Zufallsfund brachten. Das Vorhandensein der Objekte ist daher zu einem
großen Teil eher zufällig, denn eine systematische
archäologische Erschließung dieser
geschichtsträchtigen Region ist derzeit kaum möglich.
Zu den wenigen wissenschaftlichen Ausgrabungen, die 1879 begannen,
haben die Schweizer einen großen Teil beigetragen.
Die Genfer Ausstellung ist die erste, die mit 530 Exponaten Objekte aus
Gaza in einer derartigen Fülle versammelt hat. Es steht zu
befürchten, dass sie auch für lange Zeit die letzte
bleiben wird. Zwar soll die gesamte Ausstellung in ein in
Gazafür 2016 geplantes Museum überführt werden,
doch ob dem so wird, scheint fraglich. Fraglos bleibt dem Genfer Museum
die Ehre, mit dieser historischen Ausstellung auch den heutigen
Bewohnern von Gaza ein Gesicht gegeben zu haben. Ob es
Ägypter, Perser oder Osmanen waren, die Gaza beherrschten
und ihre Spuren hinterließen, es verlor nie seine arabische Identität.
Die stärkste Bedrohung der kulturellen Identität von
Gaza erleben wir in der Gegenwart. Die kürzlich beendete
israelische Besatzung oder
jetzige Abriegelung des Gaza-Streifens ist aber nicht nur eine Gefahr
für die Kultur, sondern auch für das physische
Überleben der Bevölkerung überhaupt.
©Angelika Vetter, Wolfgang Guting
Abbildung oben:Ausgrabungenbei Blakhiyah (Anthedon
von Palästina), © Joint mission: Gaza Department of
Antiquities and the French Biblical and Archaeological School of
Jerusalem; Photo: Jean-Baptiste Humbert, French Biblical and
Archaeological School of Jerusalem