Institut für Palästinakunde
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Yassir Araft (geb. als Abdel Rahman Abdel Raouf Arafat al-Qudwa al-Husseini) wurde 1929 geboren. Er wurde im arabisch-sprachigen Raum unter den Namen Nom de Guerre „Abu Ammar“ bekannt. Obwohl Arafat mehr Interviews gegeben hat als die meisten anderen Politiker und seit über 30 Jahren im Blickfeld der Weltöffentlichkeit steht, ist sein Geburtsort bis heute umstritten (Kairo, Jerusalem oder Gaza). Erwiesen ist jedoch, dass er väterlicherseits entfernt mit dem prominenten Jerusalemer Husseini-Clan (Faisal-Husseini) verwandt ist. Yassir Arafat beendete seine Schulausbildung in Kairo und 1947 immatrikulierte er sich an der König-Fuad-Universität, wo er Ingenieurwissenschaft studierte.

Während seiner Studienzeit war Arafat politisch aktiv, doch schon vorher hatte er sich indirekt am palästinensischen Widerstand gegen das britische Mandat betätigt. 1946 wurde Arafat freiwilliger Helfer des exilierten Mufti von Jerusalem, Haj Amin al-Husseini. Dennoch ist bemerkenswert, dass Yassir Arafat 1948 während des ersten Arabisch-Israelischen Kriegs in einer Einheit der ägyptischen Muslimbrüder in Gaza kämpfte und sich nicht den Soldaten des Mufti anschloss. Nach dem Krieg beteiligte sich Arafat aktiv an der Arbeit der Föderation palästinensischer Studenten und der ägyptischen Studentenorganisation. Er besaß jedoch die ägyptische Staatsangehörigkeit, was als Zeichne seiner inneren Zerrissenheit gewertet gewertet werden mag oder aber als grundsätzliches Anliegen, sich aktiv an der arabischen Politik zu beteiligen.

Im Jahr 1951 gewann Arafat durch die Unterstützung der Muslimbruderschaft die Wahlen zum Vorsitzenden der palästinensischen Studentenföderation. Zwei Jahre später übernahm er den Vorsitz des Dachverbands aller palästinensischen Studentenorganisationen. Diese Position bekleidete er bis 1956, als er in der ägyptischen Armee im Suezkrieg diente.

1958 verließ Arafat Ägypten und ließ sich in Kuwait nieder, wo er als Ingenieur arbeitete. Gemeinsam mit Khalil al-Wazir (Abu Jihad), mit dem er schon in Kairo zusammengearbeitet hatte, gründete Arafat 1959 die Al-Fatah. Die Al-Fatah entwickelte sich zur weitaus größten politischen palästinensischen Befreiungsbewegung und verschrieb sich ausschließlich der Befreiung Palästinas. Auf der ersten arabischen Gipfelkonferenz in Kairo im Januar 1964 wurde Ahmad Shuqairi damit beauftragt, die „Organisation des palästinensischen Volkes“ vorzubereiten. Kurz darauf wurde in Jerusalem die PLO gegründet, die sich nach dem Junikrieg zu einem Dachverband aller Widerstandsgruppen entwickelte. Die Al-Fatah bildet darin bis heute die größte Gruppierung und gilt als Hausmacht Arafats. Zur selben Zeit gründete er auch die Al-Asifa (der Sturm), eine militärische Einheit er Fedayin, die im Januar 1965 zum ersten Mal militärische Vorstöße nach Israel unternahm. Yassir Arafat pflegte gute Verbindungen zur algerischen Befreiungsorganisation FLN und durfte 1963 in Algier ein Palästinabüro eröffnen, das zur Internationalisierung der Palästinafrage beitrug und die Al-Fatah in eine Reihe mit anderen antikolonialen, nationalen Befreiungsbewegungen stellte.

1969 übernahm Arafat den Vorsitz der PLO, eine Position, die er bis Juni 2001 innehatte. 1970 wurde er zusätzlich zum Kommandeur aller palästinensischen Guerilla-Verbände ernannt, nachdem er bereits 1969 durch das Kairo-Abkommen eine Basis für seine Kämpfer im Südlibanon geschaffen hatte. Ebenfalls 1970 war er im sogenannten Schwarzen September in einen blutigen Konflikt mit König Hussein geraten, nachdem die PLO in Jordanien zum Staat im Staate geworden war.

Das Jahr 1974 markierte einen Wendepunkt auf Arafats politischem Weg und in der Ausrichtung seines strategischen Konzepts: Infolge des Oktoberkriegs 1973 hielt der Palästinensische Nationalrat erstmals offiziell eine Teilstaatlösung für das Palästinaproblem für möglich; auf dem arabischen Gipfeltreffen in Rabat wurde die PLO als einzige Repräsentantin des palästinensischen Volkes bekräftigt, und im November sprach Arafat schließlich vor der UN-Vollversammlung in New York, wobei er der Weltöffentlichkeit durch das Schwenken eines Ölzweige in der einen Hand im Gegensatz zur Pistole in seiner anderen Hand – signalisierte, dass er bereit war, auch einen friedlichen Weg zu gehen. Seinen spektakulären Auftritt vor der UN trug wesentlich zu seiner internationalen Akzeptanz und zur Suche nach einer friedlichen Lösung des Palästinakonflikts bei. Nach der Unterzeichnung des Camp-David-Abkommen 1978 nahm Arafat zwar weiterhin offiziell eine ablehnende Haltung gegenüber Israel ein.

Der absolute Tiefpunkt in Arafats Karriere war 1983 die erzwungene Evakuierung seiner Kämpfer aus dem Libanon infolge des israelischen Libanonkriegs. Er verlor dadurch die semistaatliche und militärische Organisation, die er im Libanon aufgebaut hatte und musste seine Aktivitäten auf politische Initiativen beschränken, die er fortan aus seinem Büro in Tunis koordinierte. Infolge der Intifada rief der Palästinensische Nationalrat 1988 den Staat Palästina aus und akzeptierte damit implizit das Existenzrecht Israels.

Arafat kehrte infolge des Oslo-I-Abkommens 1994 nach Gaza zurück, wo er Vorsitzender der von ihm gegründeten Palästinensischen Nationalbehörde wurde. Im gleichen Jahr erhielt er gemeinsam mit Yitzhak Rabin und Shimon Peres den Friedensnobelpreis. Obwohl er für seinen autoritären Führungsstil in palästinensischen Kreisen oft kritisiert wurde, wurde er im Januar 1996 mit überragender Mehrheit zum Präsidenten der Palästinensischen Nationalbehörde gewählt. Sein Regierungsstil galt als stark zentralisiert, zusätzlich hat er sih mit mehreren Sicherheitsdiensten umgeben, worin sich sein tiefes Misstrauen gegenüber seinen politischen Gegnern ausdrückte.

Yassir Arafat ist in seiner ganzen Widersprüchlichkeit und seinem Facettenreichtum umstritten wie wohl kein anderer zeitgenössischer Politiker. Umstritten sind allerdings seine Flexibilität, sein Organisationsgeschick, seine Fähigkeit, die PLO auch unter den widrigsten Umständen als Einheit zu erhalten. Seine größte Errungenschaft aber ist es, die Palästinafrage internationalisiert zu haben und eine eigenständige palästinensische Identität zu wahren und zu repräsentieren.

ROTTER, Gernot / Schirin FATHI (2001): Nahost Lexikon – Der israelisch-palästinensische Konflikt von A-Z. Heidelberg. Palmyra.

(di)

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