Institut für Palästinakunde
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Der Begriff Kalif bedeutet „dessen (Gottes) Vertreter oder an dessen Stelle stehender“. Aus historischer Perspektive galt der Kalif als höchster Führer der islamischen Welt. Seit Beginn des Kalifats wurde der Kalif sowohl als höchster Staatsmann als auch als höchster Geistlicher angesehen. Im Islam spielt der Kalif im Gegensatz z. B. zum Papst im Christentum bezüglich der religiösen Pflichte keine Rolle. Daher stellt die Abschaffung des Kalifats kein Hindernis für die Religionsausübung dar. Aus diesem Grund hat die Trennung des Sultans vom Kalifat letzteres seiner Bedeutung geraubt. Der Kalif hat deshalb versucht, seine Stellung dadurch zu stärken, dass er auch bei weltlichen Fragen seine Meinung äußerte. Dagegen hat die legitime Regierung in Ankara rasch reagiert. Mustafa Kemal forderte, dass der Kalif sich wie der Papst nur zur geistlichen Fragen äußerte. Dass dies nicht möglich war, hat die Abschaffung des Kalifats begründet.

Die Abschaffung des Kalifats war nicht leicht zu realisieren. Zwar sagte Atatürk, es sei anzunehmen, „dass mit der Aufhebung des Sultanats auch das Kalifat abgeschafft worden ist“; aber trotzdem hörten die Diskussionen zur Trennung des Kalifats vom Sultanat in der Öffentlichkeit auf. Der letzte Kalif Abdülmecit wurde vom Parlament zum Kalifen ernannt, aber seine Kompetenzen wurden nicht strikt festgelegt. Die Opposition, die gegen die Abschaffung des Kalifats war, suchte mit den letzten Kalifen gemeinsam nach Möglichkeiten zum Wiederaufbau des Sultanats. Der Kalif verhielt sich so, als wäre er ein Sultan. Das verursachte im Land Spannungen. Daraufhin beschloss Atatürk, nachdem er sich am 14. Februar 1924 in Izmir mit den Kommandeuren beraten hatte, das Kalifat abzuschaffen. Inzwischen ging der Kalif mit seinen Forderungen, seine Kompetenzen zu erweitern, noch weiter. Dies beschleunigte die Realisierung des Beschlusses. Die große Türkische Nationalversammlung schaffte daraufhin das mit der gesellschaftlichen und laizistischen Revolution in Konflikt stehende Kalifat am 3. März 1924 ab.

Durch das Gesetz mit der Nummer 431 wurde das Kalifat abgeschafft mit der Begründung, dass die republikanische Staatsform und die Institution des Kalifats sich widersprächen. Damit wurden die Janusköpfigkeit des Staates und das Risiko eines Wiederaufbaus des Sultanats beseitigt. Dies hat man in der Literatur als Eingriff in den traditionellen islamischen Staat angesehen. Aber es ebnete den Weg zum laizistischen Staat, der nicht vom Islam geprägt wurde. An der Stelle des Kalifats wurde das Präsidium für Religionsahngelegenheiten errichtet. Nach der Abschaffung des Kalifats wurde sowohl in der Türkei als auch in anderen islamischen Ländern die Forderung laut, dass Atatürk selbst diese Institution übernehmen solle. Das wäre aber das Ende der kemalistischen Revolution gewesen. Atatürk hat jedenfalls diese Vorschläge überhöht und nicht ernst genommen. Erst damit wurde die Einführung des Laizismus in der Türkei ermöglicht.

(di)

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